„Verfassungsschutz“ vor Gericht
Derzeit laufen in Deutschland zwei juristische Auseinandersetzungen, bei denen der „Verfassungsschutz“ zumindest indirekt auf der Anklagebank sitzt.
Der Beginn des NSU-Prozesses wurde jetzt auf Anfang Mai verschoben. Angehörige der Opfer wie die Bevölkerung erhoffen sich von diesem Verfahren auch Aufklärung über die Verstrickung staatlicher Stellen – allen voran des „Verfassungsschutzes“ – in die NSU-Mordserie. Um die Lügen, Diffamierungen und Machenschaften des „Verfassungsschutzes“ ging es auch beim Prozess der MLPD und ihres Vorsitzenden, Stefan Engel gegen den Schöningh-Verlag und die beiden Verfassungsschutzleute Rudolf von Hüllen und Harald Bergsdorf. Am 11. April verkündete das Landgericht Essen das Urteil.
Das Gericht untersagte unter Androhung eines Ordnungsgeldes von 250.000 Euro zwei Passagen in dem antikommunistischen Machwerk „Linksextremismus – Deutschlands unterschätzte Gefahr?“. Untersagt ist jetzt, zu behaupten, dass sich in der MLPD um Stefan Engel „ein massiver, an die Vorbilder Stalin und Mao gemahnender Personenkult entwickelt“ habe. Außerdem, dass sich die MLPD durch „ständige Säuberungen“ sowie „periodische Säuberungs- und Ausschlusskampagnen“ auszeichne. Der Verlag hat daraufhin das ganze Buch vom Markt genommen. Ein wichtiger Erfolg für alle darin diffamierten linken, fortschrittlichen und revolutionären Organisationen.
Die MLPD hat das Urteil in einer ersten Presseerklärung als eine „Bresche in die Allmachtsfantasien des Verfassungsschutzes“ bezeichnet. Denn erstmals wurden in einem Zivilprozess zwei der zahlreichen antikommunistischen Ammenmärchen der Geheimdienste unter Strafe gestellt.
Beide Passagen sind durch keinerlei Tatsachenbeweise zu belegen, hatte das Landgericht festgestellt.
Gericht sanktioniert Antikommunismus
Aber auch für alle anderen antikommunistischen Beleidigungen in dem Buch konnten die Verfassungsschützer keinerlei Beweise vorgelegen.
Trotzdem überließ das Landgericht am zweiten Verhandlungstag über Stunden dem Verfassungsschutz-Spitzel Ulrich Baursch als angeblichem „Zeugen“ das Feld, um die Verleumdungen gegen die MLPD zu bestätigen.
Baursch wurde stundenlang befragt, um über die Beweisnot der Verfassungsschützer hinwegzutäuschen. Damit dieser Schachzug nicht allzu deutlich wird, verweigerte die Vorsitzende Richterin Stefan Engel zunächst ganz, dazu Stellung zu nehmen. Nachdem er nach einigem Hin und Her doch sprechen konnte, entzog sie ihm das Wort, wenn er zu den Vorwürfen insgesamt sprechen wollte. Vor allem wurde so verhindert, dass er zur völligen Unglaubwürdigkeit des Spitzels aussagen konnte.
Dabei hatte Baursch selbst eingeräumt, von dem Buch erst nach der Klage der MLPD erfahren zu haben. Damit wurde endgültig offenkundig, dass dieses Buch ohne jeden Beweis oder Zeugen entstanden ist. Allein gestützt auf die frei erfundenen „Verfassungsschutzberichte“.
Statt aber der Klage der MLPD nun umfassend Recht zu geben, änderte das Landgericht Essen seinen Kurs vom ersten Verhandlungstag am 4. Oktober 2012. Es wollte nun sämtliche weitere Diffamierungen nur noch als „zulässige Meinungsäußerungen“ sehen.
In seiner 36-seitigen Urteilsbegründung vollführt das Landgericht einen Eiertanz sondergleichen. Einziger Zweck der Übung: Lügen und Machenschaften der Verfassungsschützer auch weiterhin zuzulassen.
Die Gerichte sind fester Bestandteil der Diktatur der Monopole mit ihrem gesamten Manipulations- und Gewaltapparat. Zu diesem Staatsapparat gehören neben Justiz, Polizei und Armee auch die Geheimdienste. Gerade der Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“ ist durch die Verstrickung von Teilen seiner Behörde mit der faschistischen Mörderbande NSU zur unbeliebtesten Vereinigung des Jahres aufgestiegen. Die Bundesregierung als Geschäftsführerin der Diktatur der Monopole hat mit Familien- und Bildungsministerin Kristina Schröder die Kampagne gegen den Linksextremismus zu einem Kernstück ihres Regierungsprogramms gemacht. Diesem Programm folgt auch das Landgericht Essen in seiner Urteilsbegründung. Es relativiert darin sogar sein eigenes Urteil zu den Passagen über „Personenkult“ und „Säuberungen“. Sie müssen in dieser Form zwar aus dem Buch entfernt werden. In einem „anderen Kontext verwendet“ sei dies aber vielleicht eine „durchaus zulässige Bewertung.“ (Urteilsbegründung Seite 18)
Zweierlei Maß
Die angeblich „unangekündigten Kontrollbesuche von Funktionären bei Mitgliedern“ entpuppten sich nach Befragung des Spitzels Baursch als Hausbesuche von Tür zu Tür, bei denen man in die Wohnung gebeten wurde bzw. Besuche bei Parteiinteressenten, die am Stand angekreuzt hatten, besucht werden zu wollen. Dessen ungeachtet behauptet das Urteil, „dass die Kläger ihrerseits verschiedene Arten von Besuchen lieber als ,Hausbesuche‘ benennen möchten, ändert nichts daran, dass den Beklagten eine hiervon abweichende Qualifizierung gestattet ist.“ (S. 29)
Das Vorgehen ist ein Lehrstück, wie der moderne Antikommunismus arbeitet: Wenn drei SPDler im Kommunalwahlkampf fünf Hausbesuche machen, dann ernten sie dafür einen halbseitigen WAZ-Artikel, der sie ob ihrer Bürgernähe über den grünen Klee lobt.
Wenn die MLPD über Jahre systematische Kleinarbeit, Stände, Hausbesuche und Kollegenbetreuung macht, dann sind das „Kontrollbesuche“ zum „Ausspionieren“ der Leute.
Wenn in diesen Tagen die Landtagsabgeordneten der Grünen in Nordrhein-Westfalen auf ihrer Website ihre Nebeneinkünfte publizieren, dann ist das eine „beeindruckende Transparenzoffensive“.
Wenn die Mitglieder der MLPD und Sympathisanten Euro um Euro sammeln, um die Parteiarbeit finanziell unabhängig zu finanzieren – dann ist das „moralischer Druck“.
Diese Verballhornung der Realität nennt das Gericht „freie Meinungsäußerung“. Hier geht es aber um viel mehr als eine Meinungsäußerung. Auf der Grundlage solcher Lügen und Verdrehungen werde nicht nur Genossinnen und Genossen der MLPD, sondern auch deren Umfeld sowie Tausende fortschrittliche und revolutionäre Menschen in Deutschland unterdrückt, mit Berufsverboten belegt, aus der Gewerkschaft ausgeschlossen und demokratischer Rechte beraubt.
Anti-Antikommunismus-Bewegung im Kommen
Aber nicht nur der „Verfassungsschutz“, sondern der gesamte moderne Antikommunismus gerät zunehmend ins Visier einer Massenkritik.
Eine Anti-Antikommunismus-Bewegung wächst. Aktuell hat das Bündnis „Antifaschistischer und antirassistischer Ratschlag in Thüringen“ die Auszeichnung mit einem Preis von 4.000 Euro im bundesweiten Wettbewerb „Aktiv für Demokratie und Toleranz“ mit der mutigen Begründung abgelehnt: „Einen Preis, der unter dem politischen Kampfbegriff Extremismus vergeben wird, können wir nicht annehmen.“
Am 14. April demonstrierten bis zu 10.000 Demonstranten in München anlässlich des NSU-Prozess unter dem Motto „Greift ein gegen Naziterror, staatlichen und alltäglichen Rassismus – Verfassungsschutz abschaffen!“
Die MLPD hat ihren Prozess von Anfang an als Bestandteil dieser Anti-Antikommunismus-Bewegung geführt. Sie wird das Urteil nicht hinnehmen. Ihr Vorsitzender Stefan Engel erklärte nach dem Prozess: „Ich kann nicht nachvollziehen, warum das Gericht die herabsetzende Verleumdung der MLPD als ,Sekte‘, die böswillige Unterstellung der ,physisch und psychischen Gewalt gegen Andersdenkende in der MLPD‘ und den völlig haltlosen Vorwurf einer vermeintlichen ,maoistischen Gehirnwäsche‘ jetzt plötzlich – der dürftigen Argumentation der Beklagten folgend – als ,freie Meinungsäußerung‘ zulässt.“
Peinlich, peinlich die „taz“
Aber der Geheimdienst findet auch neue Freunde. Vor 35 Jahren versprach die „taz“ in ihrem Statut: „… sie artikuliert insbesondere die Stimmen, die gegenüber den politisch Mächtigen kein Gehör finden …“ und richtet „sich gegen jede Form von Diskriminierung …“ fühlt sich „der wahrheitsgetreuen Berichterstattung verpflichtet“. (§ 12)
Heute springt die „taz“ mit ihren Redakteuren Pascal Beucker und Anja Krüger lieber dem „Verfassungsschutz“ als Sprachrohr bei und titelt nach dem Prozess: „Splitterpartei bleibt Sekte“. Wie tief kann man als „alternative“ gestartete Zeitung eigentlich sinken?
Teile von Solid und der Grünen-Jugend haben eine Homepage unter dem Titel „Ich bin extrem“ eingerichtet. Auf dem ersten Blick ein scheinbar mutiges Bekenntnis gegen den antikommunistischen Mainstream. Tatsächlich wird auch hier einer schädlichen Spaltungspolitik zur Ausgrenzung von Marxisten-Leninisten Raum gegeben. Die Krone setzt dem ein anonymer Kommentator auf der Website auf. Man müsse gegen die MLPD gar keine Argumente suchen, sondern sie als „stalinistische Beknackte“ diffamieren.
Hier proben wohl Linkspartei und Grüne über ihre Jugendverbände bereits die Zusammenarbeit in einer künftigen Regierung. Staatstragend gehört dazu natürlich die Unterdrückung und Diffamierung revolutionärer Kräfte.
Offensive für Sozialismus gegen Antikommunismus
Die MLPD setzt auf die Urteilskraft der Menschen und die Kraft ihrer Mitglieder und Freunde. 20.000 haben bereits für die Zulassung der MLPD zur Bundestagswahl unterschrieben. Rund 40.000 Unterschriften müssen es insgesamt werden, damit die MLPD flächendeckend wählbar ist.
In Wählerinitiativen kann jeder selbst urteilen. Die Wählerinitiativen zur Unterstützung der Kandidatinnen und Kandidaten der MLPD/Offene Liste stehen für eine mit den Massen verbundene kontrollierbare Politik. Dort wird der ganze Wahlkampf der MLPD organisiert: offen, transparent auf gleichberechtigter Grundlage. Jeder kann sich entsprechend seinen Möglichkeiten einbringen, ob wahlberechtigt oder nicht. Hier findet man Solidarität, Siegeszuversicht und Offensivgeist. Die Kandidaten verpflichten sich zur Rechenschaft gegenüber den Wählerinitiativen und für eine Tätigkeit ohne Annahme von materiellen und sonstigen Vergünstigungen.
Die MLPD wird ihre Offensive für den echten Sozialismus im Zusammenhang mit der Bundestagswahl auch nutzen, um den modernen Antikommunismus weiter als billige Zweckpropaganda zu entlarven. Dazu gehört, den „Verfassungsschutz“ als einen seiner maßgeblichen Träger zu diskreditieren und seine Machenschaften anzugreifen.
Wolf-Dieter Rochlitz/Jörg Weidemann