„Revolution ist kein Verbrechen, sondern eine Notwendigkeit“
Zur Geschichte der Berufsverbote in Deutschland
Die „Rote Fahne“ dokumentiert zum Thema Berufsverbote einen – aus Zeitgründen nicht gehaltenen – Redebeitrag für das Europaseminar von ICOR und MLPD, das am 1. und 2. November 2012 in Dortmund stattfand.
Am 28. Januar vor 50 Jahren wurde unter direkter Verantwortung des sozialdemokratischen Bundeskanzlers Willy Brandt der sogenannte Radikalenerlass eingeführt. Mit dieser zumindest in Europa einmaligen Unterdrückungsmaßnahme sollten vor allem Kommunisten, Revolutionäre, insgesamt aber auch kämpferische Antifaschisten vom öffentlichen Dienst ferngehalten werden.
Zehntausende wurde bespitzelt, Gesinnungsschnüffelei betrieben, mehr als 280 bereits im Öffentlichen Dienst Tätige wurden entlassen. Einer davon war ich. Es entwickelte sich in den achtziger Jahren jedoch von vorneherein auch ein internationaler, länderübergreifender Widerstand gegen diese Berufsverbote in Deutschland. So gab es in Europa über 200 Berufsverbotskomitees, eben nicht nur in Deutschland, sondern von Marseille bis Stockholm, von London bis Athen. Besondere Empörung gab es in Europa darüber, dass im Nachkriegsdeutschland auch Söhne und Töchter von KZ-Häftlingen und Widerstandskämpfern mit Berufsverbot belegt wurden. Der Beschluss zum Radikalenerlass von Willy Brandt hatte übrigens fast den gleichen Wortlaut wie der der Nazis von 1933. Die Berufsverbote fußten auch auf einem in Europa einmaligen Verbot der Kommunistischen Partei, das bisher auch nicht aufgehoben ist.
Real werden heute kaum noch Berufsverbote ausgesprochen, aber offiziell wurde dieser Radikalenerlass nicht zurückgenommen. Vor zwei Wochen trafen sich Betroffene zu einer Konferenz. Wir waren uns darin einig, dass wir nicht nur für eine eigene Rehabilitierung kämpfen, sondern uns aktiv an dem heutigen Kampf gegen den Antikommunismus beteiligen müssen. Vor allem gegen den sogenannten „Verfassungsschutz“, der nichts anderes ist als ein Inlandsgeheimdienst. Er ist verstrickt mit den mordenden Nazis, bespitzelt die eigene Bevölkerung und diskriminiert Linke und Marxisten-Leninisten.
Auch heute entwickelt sich eine regelrechte Anti-Antikommunismusbewegung. Dazu gehört der Prozess, den die MLPD gegen Stichwortgeber und ehemalige „Oberverfassungschützer“ führt, die ihrer antikommunistischen Hetze und Verleumdung noch eine wissenschaftliche Fassade verleihen wollen. Wichtig war in dem Zusammenhang auch, dass der Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sich in einer Resolution nicht nur erneut gegen den Radikalenerlass ausgesprochen hat, sondern sich auch bei all denen entschuldigt hat, denen er die Solidarität und Unterstützung im Kampf dagegen verweigert hatte.
Es gab nämlich durchaus Fälle, wo betroffene Kollegen, bevor sie aus dem Schuldienst entlassen wurden, aus der Gewerkschaft geschmissen wurden. Wegen sogenannter – heute in der IG Metall noch geltender und praktizierter Unvereinbarkeitsbeschlüsse – mit denen Marxisten-Leninisten und andere klassenkämpferische Kollegen aus der Gewerkschaft ausgeschlossen wurden. Dies widerspricht dem Geist der Einheitsgewerkschaften auf antifaschistischer Grundlage und schwächt sie. Dass diese Unvereinbarkeitsbeschlüsse in Deutschland fallen, ist nicht nur für die deutschen Kollegen wichtig, sondern auch für die Gewerkschaftseinheit über Ländergrenzen hinweg.
Nicht nur der Antikommunismus ist eine internationale Erscheinung, sondern auch der Kampf gegen den Antikommunismus. Das ist eine gemeinsame internationale Aufgabe. Ich finde es deshalb auch sehr wichtig, dass wir die Internationale Koordinierung revolutionärer Organisationen und Parteien (ICOR) haben. Wir haben damit eine revolutionäre Weltorganisation, die es zu ihrer Sache macht sich darum zu kümmern, wie die Bedingungen, Möglichkeiten aber auch Unterdrückung der Revolutionäre in anderen Ländern ist. Wir haben eine gemeinsame Verantwortung für den Kampf gegen die Unterdrückung der Revolutionäre in allen Ländern. Und wir beanspruchen selbstverständlich und selbstbewusst, egal in welchem Land wir leben, egal bei wem wir beschäftigt sind oder ob wir arbeitslos sind, das Recht für eine sozialistische Gesellschaft zu kämpfen. Revolution ist kein Verbrechen – sondern eine Notwendigkeit – weltweit!
Wolfgang Serway