Wirbelsturm „Sandy“ und die Hintergründe
Der Hurrikan „Sandy“ hat auf seinem Weg durch die Karibik und entlang der Ostküste der USA eine Spur der Verwüstung hinterlassen und mindestens 160 Menschenopfer gekostet. Während in den Massenmedien die Folgen für die USA besonders ausführlich behandelt wurden bis hin zur Absage des New Yorker Marathons, bekamen die Zerstörungen in den Entwicklungsländern der Karibik nur Randnotizen. Dort wurden bisher 73 Todesopfer gemeldet: die meisten – nämlich über 50 – in Haiti in den Notunterkünften der Erdbebenüberlebenden von der Katastrophe im Januar 2010. 70 Prozent der Ernte sind zerstört. Es droht eine Hungersnot und die weitere Ausbreitung der Cholera-Welle in den Armenvierteln. Die Wiederaufbaugelder aus den weltweiten Spendensammlungen sind bisher gar nicht den Massen zu Gute gekommen. Im Gegenteil. Der Fondsverwalter der Spenden, Bill Clinton, kam mit seiner Frau Hillary wenige Tage vor der Wirbelsturm-Katastrophe auf die Insel, um den Grundstein für das Projekt PIC, Parque Industriel Caracol, zu legen. Dort soll eine Sonderwirtschaftszone mit einem riesigen Industriepark für das koreanische Textilunternehmen Sae-A Trading und andere sogenannte „Lohnveredelungsunternehmen“ entstehen. Die bisher dort lebenden Kleinbauern wurden in den letzten Monaten vertrieben und hausen heute auch in den Notunterkünften. Besonders die Opfer von Haiti sind unmittelbar der Profitgier des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals geschuldet.
Die Frage nach der Ursache von „Sandy“ ist unter den Wissenschaftlern – vor allem in den USA heftig umstritten und eine ganze Reihe hochbezahlter und sogenannter anerkannter Institute bestreiten einen Zusammenhang zur Klimaerwärmung. Sie führen auch besondere Faktoren auf das Zustandekommen von „Sandy“ zurück. Mit einem Durchmesser von 1.800 Kilometern war er der bisher größte gemessene Wirbelsturm im Atlantik. Konkret kam er durch ein Zusammenwirken mehrerer Faktoren zustande: ein ungewöhnlich warmes Wasser im Atlantik vor der US-Ostküste, ein allgemeiner Anstieg des Meeresspiegels und ein ungewöhnliches Hochdruckgebiet südwestlich von Grönland, das seine Ursache in der extremen Eisschmelze dieses Sommers haben könnte. Letzteres versperrte den Weg von „Sandy“ nach Norden und zwang ihn nach Westen in Richtung Karibik/USA.
Nun ist aber der Anstieg des Wasserpegels an der Ostküste in den letzten 100 Jahren um 20 Zentimeter keine Zufälligkeit, sondern Ausdruck des Treibhausklimas, das sich besonders in den letzten 50 Jahren und inzwischen beschleunigt herausgebildet hat. Der UN-Klimarat IPCC prognostiziert: „Demnach werden die Stürme vor den USA mit ziemlicher Sicherheit stärkeren Wind und heftigeren Niederschlag bringen.“
Die Tendenz ist eindeutig. Während die Gesamtzahl von Wirbelstürmen auf der Welt annähernd gleich geblieben ist, hat sich der Anteil der stärksten Stürme der Stufe 4 und 5 (es gibt insgesamt 5 Stufen) in den letzten 40 Jahren deutlich erhöht:
Peter Webster vom Georgia Institute of Technology hat in einer Studie ermittelt, dass es zwischen 1975 und 1989 im westlichen Atlantik und der Karibik insgesamt 16 Hurrikane der Stärke vier oder fünf gab. 1990 und 2004 stieg die Zahl auf 25. Im östlichen Pazifik, wo die Wirbelstürme als Taifune bezeichnet werden, wurde in den entsprechenden Zeiträumen ein Anstieg von 36 auf 49 registriert, im westlichen Pazifik von 85 auf 116. Im südwestlichen Pazifik betragen die Vergleichszahlen 10 und 22, im Indischen Ozean 24 und 57.
Es ist 5 nach 12 und der Kampf zur Durchsetzung hundertprozentig erneuerbarer Energien muss weltweit mit aller Härte geführt werden. Davor darf man nicht die Augen verschließen. Die Umwelt- und Arbeiterbewegung muss sich der Anforderung im Interesse des Überlebens der Menschheit stellen.
Wolf-Dieter Rochlitz