„Schutzengel“ mit Sturmgewehr
Til Schweiger bringt reaktionären Actionreißer ins Kino
Der Name Til Schweiger auf dem Kinoplakat stand in den letzten Jahren vor allem für gelungene Komödien mit Herz. Wer allerdings bei seinem neuen Film „Schutzengel“, der am 27. September Premiere in den deutschen Kinos hatte, auf eine weitere Portion Lachen gesetzt und deshalb eine Kinokarte gekauft hat, der erlebt einen neuen Til Schweiger.
Denn sein neuer Film erschöpft sich über die Hälfte des Films in wüstem Geballer. Die sehr einfach gestrickte Story geht schon nach den ersten zwanzig Minuten im vollautomatischen Geschützfeuer und im verspritzten Filmblut unter. Wäre das – wie bei Filmen von Quentin Tarantino oder Robert Rodriguez – Absicht, um zu überzeichnen, könnte es der Zuschauer vielleicht noch lustig finden.
Aber Schweiger will dieses Machwerk als völlig ernst wahrgenommen wissen. Deshalb bekommt der Zuschauer über die Gefühlsebene, die bei „Schutzengel“ zugegebenermaßen gut funktioniert, eine große Portion Militarismus eingetrichtert.
Darum geht's: Der ehemalige Soldat des „Kommandos Spezialkräfte“ (KSK) und Afghanistanveteran Max Fischer (Til Schweiger) arbeitet für die Berliner Polizei als Bewacher im Zeugenschutzprogramm. Er bekommt den Auftrag, die fünfzehnjährige Nina (Luna Schweiger) zu beschützen, die den Mord an ihrem Freund durch den international agierenden Waffenhändler Backer (Heiner Lauterbach) mit angesehen hat.
Der wiederum will natürlich nicht in den Knast und kommt – dank eines korrupten Kumpels in hoher Position – dort auch nicht so schnell rein. Entsprechend viel Zeit, nämlich den kompletten Film über, hat er dem flüchtenden Pärchen eine nicht enden wollende Anzahl von Killern, Söldnern und anderen schwer bewaffneten Gestalten hinterherzujagen.
Der reaktionäre Unterton ist Programm und wird über die ganze Spielzeit hin aufrecht erhalten. Es wird von Anfang bis Ende das Lied vom „starken, aufrechten Soldaten“ gesungen. Vom Helden, der sich für seine Kameraden opfert und ein Leben lang Krieger ist. Damit das nicht allzu platt daherkommt, wird einerseits „Coolness“ groß geschrieben.
Max Fischer feuert im Verlauf des Films nicht nur gefühlte 100 Magazine leer, sondern auch immer wieder markige Einzeiler aus der Hüfte. Damit und über die gut inszenierten, gefühlvollen Szenen zwischen Vater und Tochter Schweiger bzw. mit Karoline Schuch funktioniert das Konzept.
Sicherlich ist „Schutzengel“ kein plumper Wehrertüchtigungsfilm à la „Top Gun“. Hier wird subtiler gearbeitet. Die Botschaft, dass „unsere Jungs sich da unten für unser Land den Arsch aufreißen“, wird nie so
penetrant nach vorne gerückt, dass es nervt. Sie ist aber von Anfang an da. Die Subtilität wird erst zum Schluss fallen gelassen, als Schweiger es offensichtlich nicht lassen konnte, den Streifen allen deutschen Soldaten im Einsatz zu widmen.
Entsprechend nutzen auch die Bundeswehr und das Verteidigungsministerium Schweigers Projekt, um zusammen mit ihm eine große Propagandashow aufzuziehen. Das erste Testpublikum für „Schutzengel“ waren Soldaten im afghanischen Feldlager, denen Schweiger selber den Streifen überbrachte. Deren Aussagen nach dem Ende des Films wurden von Schweigers Filmteam für einen Werbetrailer für „Schutzengel“ verwendet. Pressetechnisch wurde das ganze von der „Bild“ ausgeschlachtet. Zur Premiere erschien Verteidigungsminister de Maizière mit 50 Soldaten in Ausgehuniform im Kino und äußerte sich in der Bild vom 18. September so: „Herr Schweiger macht Werbung für die Bundeswehr. Das freut uns sehr.“
Alles in allem ein Film, der reaktionäre Gewalt und Auslandseinsätze der Bundeswehr rechtfertigt. Ein Film, der den Krieg in Afghanistan positiv beurteilt, und der auch noch mit Steuergeldern zustande kam.