Wetterleuchten der Klimakatastrophe

Ferien und schönes Wetter – darauf freuen sich normalerweise Millionen von Menschen in dieser Jahreszeit, landläufig als Hochsommer bekannt. Das Wetter macht dem mal wieder einen dicken Strich durch die Rechnung – wie schon in den Jahren zuvor.

Dicke Regenwolken, Herbsttemperaturen und Unwetter prägen das Bild. Ist alles nur dramatisiert, weil das Sommerwetter in Deutschland schon immer wechselhaft war?

Mit langjährigen Durchschnittswerten der Temperatur, Sonnenscheindauer und Niederschlagsmenge wird in Medienberichten teilweise auf Entwarnung gemacht. Die Tatsachen sprechen eine andere Sprache. Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) kamen in der ersten Juli-Hälfte schon zwei Drittel der durchschnittlichen Niederschläge dieses Monats herunter. Die Sonne schien dagegen erst 75 Stunden, obwohl sie statistisch von Anfang bis Mitte Juli 106 Stunden hätte scheinen müssen. Noch dramatischer sind die Folgen der extremen Unwetter: sintflutartige Regenfälle, Hagelschäden und Überschwemmungen, mehrere Todesopfer sowie hunderte Verletzte durch Blitzeinschläge und entwurzelte Bäume.

Gleichzeitig leidet Südeuropa erneut unter einer Hitzewelle mit Temperaturen von über 40 Grad. In Portugal, auf Mallorca, Sardinien und den Kanarischen Inseln wüten Waldbrände. Hitzewellen und Unwetter nehmen aber auch in vielen anderen Regionen der Welt zu. Die USA und Indien verzeichneten Temperaturen bis 48 Grad und extreme Trockenperioden. Nun drohen in Indien Überschwemmungen als Folge des einsetzenden Monsunregens. Zwei Millionen Menschen sind auf der Flucht.

Wetterextreme nehmen zu

Die zunehmende Häufung und extreme Ausprägung solcher Wetterphänomene belegt den Zusammenhang zur heraufziehenden globalen Klimakatastrophe. Der im März 2012 erschienene UN-Bericht zur weltweiten Klimaveränderung stellt fest, dass es heute im Jahresschnitt weltweit dreimal so viele Naturkatastrophen und die achtfache Schadenssumme gibt als in der Zeit vor 1960. Der ungebremste Anstieg der Treibhausgase, die vorwiegend durch Verbrennung fossiler Energieträger, Brandrodung und kapitalistische Massenproduktion in der Agrarindustrie freigesetzt werden, führt zur Erwärmung der Kontinente, vor allem aber auch der Meere. Diese findet aber nicht gleichmäßig statt, sondern geht mit einer Verschiebung der Meeresströmungen und Klimazonen einher. Meteorologen der Universitäten Köln und Reading (Großbritannien) haben mit Untersuchungen im April belegt, dass sich die Wasserzirkulation in den Meeren entscheidend verändert. Insbesondere verlangsamt sich der Golfstrom, der maßgeblich unser Klima beeinflusst. Das verändert den Verlauf der Tiefdruckgebiete und begünstigt die Entstehung schwerer Sturmtiefs. So ist es gegenwärtig über Grönland und Island sehr warm. Dabei entsteht dort hohe Feuchtigkeit, die die Tiefdruckgebiete nach Mitteleuropa drückt.

Energiewende“ zu teuer?

Zu Recht machen sich deshalb viele Menschen große Sorgen – vor allem angesichts der Tatsache, dass ein „Klimagipfel“ nach dem anderen ohne irgendwelche nennenswerten Konsequenzen zur Rettung des Weltklimas vergeht. Ausgerechnet der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) will nun „helfen, den internationalen Klimaschutz wieder flott zu machen“. Das zumindest verkündete er öffentlichkeitswirksam zum Auftakt des „Petersberger Klimadialogs“ am 16. Juli in Berlin, der zur Vorbereitung der UN-Klimakonferenz in Katar Ende des Jahres dienen sollte. „Flott“ sind aber vor allem die Sprüche des Ministers, der in Wirklichkeit angetreten ist, selbst die im Rahmen der sogenannten „Energiewende“ gemachten Zugeständnisse an die massenhaften Proteste der Umweltbewegung wieder rückgängig zu machen.

Offen getraut sich die Regierung das nicht. Statt dessen wird viel von notwendiger „nüchterner Bilanz“ gesprochen und sorgen sich verschiedene Regierungspolitiker plötzlich ungemein um die „Kosten“ der selbst gefassten Beschlüsse für die Masse der Verbraucher. Sie dürften nicht zu einem „sozialen Problem“ werden, so Altmaier. Dass die Stilllegung der Atomkraftwerke und der Ausbau der erneuerbaren Energien keineswegs zu höheren Strompreisen führen muss, belegt unter anderem eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag von „Greenpeace“. Es war die Regierung selbst, die mit ihrer EEG-Umlage (EEG = Erneuerbare Energien Gesetz) dafür gesorgt hat, dass die industriellen Großverbraucher niedrigere Strompreise bezahlen müssen, während die Kosten dafür in Form steigender Preise auf die breiten Massen abgewälzt werden. Die beste Methode, steigenden Strompreisen entgegenzuwirken, ist allemal die Finanzierung der Klimaschutzmaßnahmen auf Kosten der Monopolprofite. Das wird allerdings nur im Kampf gegen die Politik der Bundesregierung durchzusetzen sein.

Rollback“-Politik nimmt dramatische Folgen in Kauf

Verschleiert werden soll mit dem Gejammer über die „hohen Kosten“ ein systematisches umweltpolitisches „Rollback“:

Am 28. Juni verabschiedete der Bundestag die überarbeitete EEG(Erneuerbare-Energien-Gesetz)-Novelle. Der gelobte „Kompromiss“ beinhaltet kleinere Zugeständnisse gegenüber den Protesten von Umweltverbänden und Photovoltaik-Beschäftigten. Die Grundrichtung der Kappung der Solarförderung wird jedoch beibehalten und damit die weitere Umstellung auf eine breite Solarstromgewinnung ausgebremst (siehe auch S. 13).

Ebenfalls am 28. Juni einigten sich Bundestag und Bundesrat auf den CCS-Gesetzentwurf zur unterirdischen Verpressung von Kohlendioxid. Statt den CO2-Ausstoß tatsächlich zu senken, soll dieses unter die Erde versenkt werden, was noch zusätzlichen Energieaufwand erfordert. Wissenschaftler warnen schon jetzt vor damit verbundenen kleineren Erdbeben, bei denen das Gas wieder unkontrolliert in die Atmosphäre entweicht. Aus Rücksicht auf die Proteste dagegen und um diese umweltpolitische Bankrotterklärung zu vertuschen, wird behauptet, dies sei „zumindest für Testwecke“ notwendig. Statt der geplanten drei Millionen Tonnen darf nur noch knapp die Hälfte eingelagert und statt geplanter acht Speicher dürfen nur vier eingerichtet werden. Die bundesweiten Bürgerinitiativen gegen CO2-Verpressung erklären dennoch völlig zurecht, „dass es bei CCS ausschließlich um die Gewinnmaximierung der Energiekonzerne geht“.

In der Öffentlichkeit wird von den Herrschenden und ihren Regierungen, besonders von den Energiekonzernen, der Eindruck erweckt, dass die Förderung des umwelt- und gesundheitsschädigenden Fracking-Verfahrens zur Gasförderung ausgesetzt sei. „Ich schließe das sogar in Europa aus“, erklärt Wintershall-Vorstandschef Rainer Seele scheinheilig, während zur gleichen Zeit die BASF-Tochter Wintershall in Barnstorf ein neues weltweites Bohrkernlager für die Untersuchung von Gesteinsproben bei der Suche nach Gas- und Erdölfeldern eröffnete. Die Bundesregierung verweigert seit Monaten, überhaupt umweltpolitische Auflagen für das Fracking-Verfahren festzulegen, geschweige denn diese Fördertechnik zu verbieten.

Die Pläne zur „Rolle rückwärts“ in der Umweltpolitik in Deutschland sind Bestandteil eines international koordinierten Vorgehens der Regierungen im Auftrag des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals. So hat die brasilianische Präsidentin Rousseff Ende Mai lediglich gegen 12 von 84 Paragrafen des neuen Waldgesetzes ihr Veto eingelegt, während internationale Umweltschützer die Ablehnung dieses Freibriefs für die weitere Abholzung des Amazonas-Gebiet, der grünen Lunge der Erde, fordern.

Der Hintergrund dafür ist, dass die Unterwerfung aller natürlichen Ressourcen unter das Diktat der kapitalistischen Profitwirtschaft für das allein herrschende internationale Finanzkapital mittlerweile zu einem unbedingten ökonomischen Zwang geworden ist. Das verstärkt sich noch aufgrund der tiefen Weltwirtschafts- und Finanzkrise.

Den Kampf zur Rettung der Umwelt in der Krise „vertagen“?

Bis zu 200.000 Menschen beteiligten sich in den letzten Wochen in Japan an den Protestaktionen einer wachsenden Massenbewegung gegen das Wiederanfahren der ersten beiden Atomkraftwerke nach der Fukushima-Katastrophe. Das zeigt, dass die Massen die Rücknahme erkämpfter Zugeständnisse in der Umweltpolitik nicht kampflos hinnehmen werden. Allerdings müssen dazu auch die Methoden des Systems der kleinbürgerlichen Denkweise, mit denen diese Politik in den verschiedenen Ländern verkauft wird, noch tiefergehender durchschaut werden. Die dadurch geförderten Zweifel, ob man mitten in der Wirtschaftskrise überhaupt noch weitere Klima- und Umweltschutzmaßnahmen durchsetzen kann, haben ihre Grundlage auch in einer Unterschätzung des bereits begonnenen Umschlags in die globale Umweltkatastrophe.

Abgesehen davon, dass ein Ende der Weltwirtschafts- und Finanzkrise gar nicht abzusehen ist, dulden die notwendigen Sofortmaßnahmen zur Rettung des Weltklimas keinerlei Aufschub. Es ist ein Verbrechen an der Zukunft der Menschheit, wenn die Bundesregierung den Abschluss eines internationalen Nachfolgevertrags für das 2012 auslaufende Kyoto-Abkommen zur Reduzierung der CO2-Emmissionen erst bis 2015 anstrebt und das Inkrafttreten seiner Ziele, die bislang völlig offen sind, sogar bis 2020 verschieben will.

Die breite Masse der Menschen auf der Welt ist weder für die Weltwirtschaftskrise noch für die heraufziehende Klimakatastrophe verantwortlich. Sie brauchen die Wiederherstellung der Einheit von Mensch und Natur genauso dringend wie eine Zukunft, die ihnen die allseitige und immer bessere Befriedigung ihrer Lebensbedürfnisse gewährleistet. Es ist der Kapitalismus, der dazu nicht in der Lage ist und statt dessen in immer umfassenderen Krisen versinkt.

Zu Recht wächst deshalb auch in der Umweltbewegung die Kapitalismuskritik. Gleichzeitig gibt es noch viele Illusionen, ob es nicht doch möglich ist, die notwendigen Veränderungen im Rahmen dieses Systems zu erreichen. Notwendig ist ein systematischer Klärungsprozess, dass die Lösung der Umweltfrage identisch wird mit der Erkämpfung der vereinigten sozialistischen Staaten der Welt. Die Strategiedebatte darüber umfasst auch den auf dem letzten Internationalen Umweltratschlag unterbreiteten Vorschlag des Aufbaus einer kämpferischen Umweltgewerkschaft. Sie wird in der Lage sein, die verschiedensten gesellschaftlichen Kräfte zusammenzuschließen und den Aufbau einer internationalen Widerstandsfront voranzutreiben. Sie wird die kapitalistische Profitwirtschaft ins Visier nehmen und offen für die Diskussion über die Perspektive des Sozialismus sein.