Den „Verfassungsschutz“ sofort auflösen!
Es ist unerhört und dreist, wie der deutsche Geheimdienst „Verfassungsschutz“ auf die Fragen der Menschen nach den wahren Hintergründen und Zusammenhängen über die Mordserie des faschistischen Killertrios antwortet: Er lässt die mit Sicherheit aufschlussreichen Unterlagen einfach verschwinden!
Dabei hatte es der „Verfassungsschutz“ nach dem Skandal um seine Verwicklung in die Mord- und Verbrechenserie der faschistischen Terrorbande „NSU“ doch beinahe geschafft, wieder von den Titelseiten zu verschwinden.
Seit diesem neuerlichen Skandal um die Vernichtung von Akten im Kölner Bundesamt für „Verfassungsschutz“ (BfV) sollen hektisch die Wogen geglättet werden. Der Präsident des BfV, Fromm, trat sofort zurück, nahezu zeitgleich auch der Chef des Thüringer „Verfassungsschutzes“ Sippel. In dieser Woche war dann auch der Chef des sächsischen „Verfassungsschutzes“, Reinhard Boos, „reif“ und trat zurück. Offensichtlich sind Spitzel des „Verfassungsschutzes“ viel unmittelbarer in der Mordserie verwickelt als bisher bekannt wurde. Jetzt wird versucht, sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben und zu verharmlosen: es ginge um „Fehlverhalten von Einzelnen“. Der frühere Thüringer VS-Präsident Roewer sagte aus, im Thüringer „Verfassungsschutz“ seien damals nur „die Dummen“ geblieben – außer ihm natürlich (Roewer ist heute übrigens Publizist in faschistoiden Verlagen). Nach einer am 9. Juli 2012 veröffentlichten Umfrage der „Zeit“ haben 47 Prozent der Befragten „eher weniger oder gar kein Vertrauen“ in den Verfassungsschutz. Vor allem wirft das die Frage auf, was der „Verfassungsschutz“ eigentlich schützt.
Neue Dimension der Verstrickungen
Zahlreiche Spurenverwischungen lassen nur den Schluss zu, dass die Dimension der Verstrickungen von den zuständigen Staatsorganen regelrecht heruntergespielt wurde. Dennoch kann man aus diesen Tatsachen nicht schlussfolgern, dass es eine unmittelbare Förderung der Faschisten durch den gesamten Staatsapparat gibt. Aber der faschistische Terror der NSU hätte keine Chance gehabt, wenn er nicht durch einzelne Vertreter aus den obersten Kreisen der Geheimdienste Deckung bekommen hätte. So standen nicht nur Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes „Verfassungsschutz“ in enger Verbindung mit den faschistischen Terrorbanden in Thüringen, aus denen die NSU hervorging. Bestätigt wurde nun durch Akteneinsicht, dass auch der Bundeswehrgeheimdienst MAD –zumindest in der Zeit von 1999 bis 2003 – drei eigene V-Leute in der faschistischen Szene in Thüringen hatte. Zusammen mit dem „Verfassungsschutz“ hatten sie im Rahmen der „Operation Rennsteig“ Anwerbetätigkeit betrieben. Und die sollen von all den Banküberfällen und zehn faschistischen Morden nichts mitbekommen haben?
Völlig zu Recht greifen immer mehr Menschen die Forderung nach sofortiger Auflösung des Inlandsgeheimdienstes „Verfassungsschutz“ auf. Es ist durchaus möglich, dass sich die Herrschenden angesichts der Massenkritik an den undemokratischen und verbrecherischen Machenschaften von Geheimdiensten gezwungen sehen, den einen oder anderen Geheimdienst aufzulösen. Das zeigt das Beispiel des in zahlreiche Verbrechen und Morde verstrickten kolumbianischen Inlandsgeheimdienstes, der Ende 2011 aufgelöst worden ist – allerdings nicht, ohne vorher das „bewährte Personal“ mit anderen Posten in Staatsanwaltschaften etc. zu versorgen und die Gründung eines neuen „unbelasteten“ Dienstes anzukündigen.
Geheimdienste – im Dienst der Imperialisten
Die Geheimdienste sind letztlich unverzichtbar für die Aufrechterhaltung der Macht der Herrschenden. Bundesinnenminister Friedrich nimmt in einem Interview am 8. Juli 2012 in der „Bild am Sonntag“ Stellung: „Wir brauchen einen funktionsfähigen Verfassungsschutz, der in der Lage ist, unseren freiheitlichen Rechtsstaat vor den Gefahren des Extremismus und Terrorismus zu schützen.“ Terrorismus ist in den Augen der Herrschenden vor allem, wenn ihre Ausbeuterordnung in Gefahr gerät.
Erst kürzlich kam heraus, dass der italienische Geheimdienst Berichte über internationale Treffen von Faschisten in Belgien und Italien geschickt hatte, in denen von gezielter Ermordung von Migranten die Rede ist. Diese Berichte zeigen, wie gut Geheimdienste über faschistische Machenschaften europaweit informiert waren. Zwischen den Geheimdiensten der führenden Imperialisten gibt es zunehmend auch eine Zusammenarbeit. Zugleich bekämpfen sie sich gegenseitig. Das ist Ausdruck der Rivalität der Imperialisten untereinander und zeigt auch eine grundlegende Schwäche gegenüber einem einheitlich kämpfenden internationalen Industrieproletariat auf. Ihre zweite wesentliche Schwäche ist ihre zutiefst negative weltanschauliche Grundlage: Der extreme Antikommunismus und die Rechtfertigung offenen Terrors gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung. Angesichts der sich europaweit verstärkenden Merkmale des Übergangs zum Klassenkampf im eigentlichen Sinne brauchen die Herrschenden künftig faschistische Terrorbanden zum Einsatz gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung.
Politisch folgenreiche Ausrichtung der Geheimdienste
Auch auf politisch höchster Ebene eröffnete die Weichenstellung in Innenministerien und Geheimdiensten, sich stärker gegen den sogenannten Linksextremismus und Islamismus aufzustellen, den Faschisten zumindest objektiv mehr Spielraum. Inzwischen steht auch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier in Verdacht, als damaliger Innenminister im Jahr 2006 die Vernehmung des „Verfassungsschutz“-Agenten, der zur Tatzeit in unmittelbarer Nähe der Ermordung eines Migranten war, verhindert zu haben.
Warum wurde bisher das Verbot der NPD bzw. aller faschistischen Parteien und Organisationen hintertrieben? Die Begründung seit dem ehemaligen Innenminister Schily (SPD) von 1998 bis 2005 über seine Nachfolger Wolfgang Schäuble (CDU) 2005 bis 2009 und Thomas de Maizière (CDU) 2009 bis 2011 war immer: ein Verbot würde eine Beobachtung der sogenannten „rechtsextremistischen Szene“ erschweren.
Schily bezeichnete jüngst „die Unterschätzung des Rechtsextremismus als Irrtum, für den er im Nachhinein eine politische Verantwortung trage“. Schily trägt aber auch vor allem Verantwortung, dass er das Verbotsverfahren der NPD scheitern ließ, weil er nicht bereit war, die Verfassungsschutzleute aus den faschistischen Organisationen abzuziehen. Schilys Amtsnachfolger Wolfgang Schäuble drängte dann nach 2005 darauf, dass das Amt für „Verfassungsschutz“ die Zuständigkeit gegen „Rechtsextremismus und Linksextremismus“ bündelt. Fromm soll ihm damals abgeraten haben. Schäuble beharrte darauf, unter dem Vorwand der angeblich größeren Gefahr des Linksextremismus.
Akute faschistische Gefahr heute?
Die Herrschaft der Monopole beruht auf Betrug und Gewalt. In der bürgerlichen Demokratie steht der Betrug im Vordergrund, ohne auf Gewalt zu verzichten. Die Monopole wählen nach wie vor die bürgerliche Demokratie als Hauptmethode ihrer Herrschaftsform. Eine Förderung der Faschisten durch maßgebende Kreise des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals in Deutschland hätte eine polarisierende Wirkung und stünde der Klassendämpfungspolitik entgegen, die nach wie vor noch von der Regierung favorisiert wird. Und das würde die Lebenslüge von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und dem bürgerlichen Rechtsstaat vollends zum Platzen bringen. Auch müssten deutsche Monopole weltweit mit Wettbewerbsnachteilen rechnen, wenn sie heute auf eine faschistische Massenbasis setzen würden. Allerdings sind Teile im Staatsapparat, vor allem bei den Geheimdiensten durchaus bereit, sich durch Förderung oder Duldung faschistischer Banden auf Zeiten des blutigen Terrors gegen die Arbeiterbewegung und den aktiven Volkswiderstand einzustellen.
Über die richtige Beurteilung der faschistischen Gefahr und der Faschisierung des Staatsapparates gibt es auch innerhalb der MLPD während der Parteitagsvorbereitung eine intensive Auseinandersetzung. Im „Rote-Fahne“-Interview vom 24. April führt Stefan Engel aus, dass wir es derzeit nicht mit einem qualitativen Sprung im Prozess der Faschisierung des Staatsapparats zu tun haben. „Das würde eine Überbewertung der Faschisierung des Staatsapparats bedeuten gegenüber den nach wie vor im Vordergrund stehenden Methoden des Systems der kleinbürgerlichen Denkweise als hauptsächliche Regierungsform.“
Wenn Innenminister Friedrich die „noch öffentlich wenig bekannten Verdienste des Verfassungsschutzes“ anpreist, meint er vor allem dessen Rolle im System der kleinbürgerlichen Denkweise zur Verbreitung antikommunistischen Gedankenguts. Mit fünf Millionen Euro jährlich fördert das Bundesfamilienministerium Programme gegen den „Linksextremismus“. Ein Verein „Deutsche Gesellschaft“ veranstaltet 40 Workshops für Schüler „gegen Linksextremismus“. Auf der Liste seiner Förderer sind die Deutsche Bank, die Allianz, „Bild“ oder Mercedes-Benz Berlin aufgezählt. Eine Organisation „Minor“, die derzeit ausdrücklich Öffentlichkeitsarbeit ablehnt, kassiert 51.000 Euro für „Prävention bei linksextremistisch orientierten Jugendlichen“ („Zeit“, 6. 7. 12).
Während Faschisten sich aus Wahlkampfgeldern ungehindert finanzieren dürfen, soll linken Organisationen, die der „Verfassungsschutz“ als „extremistisch“ einstuft, die Gemeinnützigkeit abgesprochen werden (siehe Seite 13). Verhaftungen von Antifaschisten, Bankenboykotte gegen die MLPD, Nichtgenehmigung von öffentlichen Räumen oder Plätzen (z. B gegen den REBELL in Karlsruhe) durch öffentliche Ämter bis hin zu Diffamierungen führender Repräsentanten von Linkspartei oder MLPD – dazu führt es, wenn unter dem Vorwand „links gleich rechts“ Faschisten einen Schutz genießen und Linke und Revolutionäre zum Freiwild erklärt werden sollen.
Offensive gegen den Antikommunismus
Das Dilemma der Regierung ist aber, dass der Linkstrend sich fortsetzt. Zum Bundesprogramm gegen den „Linksextremismus“ stellt die Regierung fest, dass es schwierig sei, den Linksextremismus zu bekämpfen. Es gebe „ein Defizit an verlässlichen Informationen zum Thema Linksextremismus und keine Klärung des ,Phänomens‘ aus sozialwissenschaftlicher Perspektive …“
Die Rolle der Geheimdienste aufzudecken, ihrer antikommunistischen Propaganda gegen Linke, Marxisten-Leninisten, Revolutionäre entgegen zu treten – vor allem die Auseinandersetzung zu nutzen, um den Leuten zu helfen, mit der kleinbürgerlich-antikommunistischen Denkweise fertig zu werden – das sind wichtige Bestandteile unserer Offensive gegen den modernen Antikommunismus.
Erst die internationale sozialistische Revolution wird in der Lage sein, auch die Verbrechen imperialistische Geheimdienstorganisationen zu beenden.