Weltwirtschaft – Vorsicht Explosionsgefahr!
Beim internationalen Finanzkapital und seinen dienstleistenden Regierungen herrscht atemlose Gipfelhektik.
Während die Fußballeuropameisterschaft wenigstens für ein paar vergnügliche Stunden sorgt, wissen die Herrschaften bei den Gipfelrunden, dass das Endspiel um den Erhalt des Euro – und damit auch die EU – längst begonnen hat. Aber sie wissen genauso wenig wie die Fußballfans, wie es ausgeht.
Als 2008 – ausgehend von der Pleite der Lehman-Bank in den USA – zunächst eine internationale Finanzkrise ausbrach und damit eine Weltwirtschaftskrise ausgelöst wurde, sagte die MLPD voraus, dass wir es mit der an Umfang, Tiefe und Wirkung tiefsten Weltwirtschafts- und Finanzkrise zu tun haben, die der Kapitalismus bisher erlebte. Das traf den Nagel auf den Kopf.
Bestätigt hat sich auch, dass die tiefe Ursache für die anhaltende Krise die Überakkumulation des Kapitals ist, die seit der Neuorganisation der internationalen Produktion in den 1990er Jahren chronisch wurde. Das bedeutet, dass das allein herrschende internationale Finanzkapital sich immer weniger in der Lage sieht, die aus der Ausbeutung von Mensch und Natur gepressten Reichtümer mit der Aussicht auf Maximalprofit in neuen Produktionsanlagen einzusetzen.
Die G20, die 20 mächtigsten Industrieländer der Welt, wurden im November 2008 zusammengerufen. Bis 2010 fluteten sie mit etwa 27 Billionen US-Dollar Banken und Industriekonzerne, um mit inzwischen schon sprichwörtlichen „Rettungsschirmen“ einen unkontrollierten Zusammenbruch des Weltfinanzsystems zu verhindern und den Kriseneinbruch der Weltwirtschaft abzubremsen. Dafür nahmen sie eine regelrecht explodierende Staatsverschuldung in Kauf, die mittlerweile immer mehr Länder an den Rand des Staatsbankrotts treibt – wofür wieder neue Rettungsmilliarden gebraucht werden.
Zunächst einmal aber konnten die Herrschenden die politischen Erschütterungen abdämpfen, die zu Beginn der mit voller Wucht einsetzenden Wirtschaftskrise besonders die europäischen Länder erschütterten. Massenproteste in Island und Irland, Generalstreiks und Jugendrebellionen in Osteuropa, Frankreich, Italien und Spanien – das allein herrschende internationale Finanzkapital musste fürchten, dass eine beginnende, weltweite politische Krise sich zu einer revolutionären Weltkrise entwickelt.
Das Krisenmanagement war deshalb keineswegs nur wirtschaftspolitischer Natur. Ein international abgestimmtes System der kleinbürgerlichen Denkweise wurde zur Manipulation der Massen ausgebaut. Sein Kern war und ist der moderne Antikommunismus. Kritik an der „Profitgier“, am „Raubtiercharakter der Finanzmärkte“ war plötzlich gang und gäbe. Aber bei aller Krisenhaftigkeit und Zerstörungskraft des Kapitalismus erschien er doch als kleineres Übel, auf jeden Fall als „alternativlos“. Denn zugleich wird die einzige gesellschaftliche Alternative, der Sozialismus, als mordbrennendes Horrorregime über alle Kanäle der bürgerlichen Meinungsmanipulation verleumdet. „Lasst uns nur machen“, war die Botschaft, „wir kriegen die Sache schon in den Griff“.
Relative Belebung und …
Und tatsächlich gingen die Massenproteste deutlich zurück – die Industrieproduktion erholte sich dank riesiger Konjunkturpakete in vielen Ländern. Das zeigt sich auch in Deutschland, das keineswegs eine „glückliche Insel“ im Krisenmeer ist. Die Wucht des Einbruchs war hier aufgrund der starken Exportabhängigkeit sehr heftig, die anschließende relative Belebung besonders ausgeprägt. Für einen kurzen Moment konnte die Industrieproduktion Mitte 2011 den Vorkrisenstand sogar übertreffen. Dagegen waren die meisten „alten“ Industrieländer nie richtig aus dem Krisenloch herausgekommen. Der Jubel vieler bürgerlicher Ökonomen über den zu erwartenden selbsttragenden Aufschwung übersah, dass die Belebung zum großen Teil auf Spekulation beruhte und die reale Produktion hinter der Spekulation zunehmend hinterherhinkte.
... Stagnation und ...
In der zweiten Jahreshälfte 2011 zeigte sich wieder eine neue Qualität im Krisenverlauf: die Wirkung des zunächst gemeinsamen Krisenmanagements verpuffte mehr und mehr und die Wirtschaftsentwicklung ging in eine Stagnation über.
... Rückgang der Produktion
Inzwischen zeigen alle offiziellen Statistiken, dass zum großen Teil rückläufige Wirtschaftsdaten gegenwärtig die Situation in den meisten Ländern kennzeichnen. Das kündigt einen neuen Einbruch der Weltwirtschaftskrise an, zumal davon auch die sogenannten BRICS-Länder betroffen sind. Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika wurden als „Boomländer“, als „Hoffnungsträger“ für einen Ausweg aus der Krise angepriesen. Davon hat eine Zeitlang auch die deutsche Wirtschaft profitiert mit spekulativen Investitionen. Aber auch dort gehen die Zuwachsraten deutlich zurück. Dass das internationale Finanzkapital selbst wie das Kaninchen auf die Schlange auf einen neuen Kriseneinbruch starrt, macht die extreme Nervosität an den Börsen deutlich. Ein Alarmsignal war in der vergangenen Woche die Herabstufung von 15 internationalen Großbanken durch die Ratingagentur Moodys, darunter die Deutsche Bank.
Allem Gerede von der „Zähmung des Raubtierkapitalismus“ oder der „Regulierung der Finanzmärkte“ zum Trotz erlebt die Spekulation mitten in der Krise neue Höhenflüge. In den sechs Monaten von Dezember 2010 bis zum Juni 2011 sind die außerhalb der Börse gehandelten Finanzprodukte mit 707,6 Billionen US-Dollar um über 100 Billionen US-Dollar angeschwollen und haben den früheren Höchststand vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrise übertroffen.
Auch in Deutschland mehren sich die Anzeichen für einen neuen Wirtschaftseinbruch, die Industrieproduktion stagniert, die Exporte sind rückläufig – besonders die in die südeuropäischen Länder. Seit November 2011 rückläufig sind die Auftragseingänge – und zwar sowohl aus dem In- wie aus dem Ausland. Die Story von der „stabilen Binnennachfrage“ wird mit jeder angekündigten Massenentlassung (Schlecker, Solarindustrie, Telekom, Stahlindustrie, Opel, Nokia, Damp …) immer verlogener.
Ob ein neuer, zweifellos noch verheerenderer Wirtschaftseinbruch in Wochen oder erst in Monaten kommt, das lässt sich nicht sagen. Aber sagen lässt sich, dass die Massen in Europa immer weniger bereit sind, abzuwarten, auf bessere Tage zu hoffen.
Längst sind die zwischenimperialistischen Widersprüche gegenüber dem anfänglichen gemeinsamen Krisenmanagement wieder in den Vordergrund getreten – bis hin zu wachsender Kriegsgefahr. Auch mit Blick auf seinen eigenen Wahlkampf forderte US-Präsident Obama beim jüngsten G20-Gipfel die europäischen Regierungschefs ultimativ auf, noch tiefer in die Taschen der Massen zu greifen, noch mehr Gelder locker zu machen und noch höhere Dämme gegen einen neuen Wirtschaftseinbruch aufzutürmen.
Von der Eurokrise zur Krise der EU
Aber die EU-Regierungen stecken in einer Zwickmühle. Nachdem Spanien hundert Milliarden „Rettungseuros“ für seine Banken fordert, will nun auch Italiens Regierungschef Monti, dass Europas „Rettungsfonds“ Staatsanleihen aus Italien ankaufen, damit das Land zu halbwegs bezahlbaren Zinsen an frisches Geld herankommt. Nur so können überfällige Schulden durch neue Schulden abgelöst werden. Zusammen mit Forderungen aus Zypern, auch die dortigen Banken mit vier Milliarden Euro zu „retten“, hängen auf diese Weise nach Griechenland, Irland und Portugal alsbald sechs der 17 Euroländer am Tropf der sogenannten „Rettungsfonds“. Das überfordert die Wirtschaftskraft dieses imperialistischen Blocks und steigert das Risiko seines Auseinanderbrechens, zumal auch hier die Widersprüche untereinander keineswegs gedämpft sind.
Die so genannten „Sparprogramme“, die die EU den „geretteten“ Ländern aufzwingt, haben dort die Wirtschaftsentwicklung erst recht erstickt. Längst ist aus einer Euro-Krise eine EU-Krise geworden.
Mit dem „Fiskalpakt“ wollen sie die Flucht nach vorne antreten. Die EU soll zu einem politischen Block zusammengeschweißt werden, um in der Rivalität mit den anderen imperialistischen Konkurrenten zu bestehen. Das ist aber keine Einheit auf Augenhöhe, sondern ein versuchter Akt der unmittelbaren Unterwerfung aller unter die führenden europäischen Staaten der EU und damit des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals. Das entfaltet jedoch wieder neue Widersprüche. Denn es bedeutet, dass die schwächeren EU-Länder ihre nationale Souveränität vollständig aufgeben und sich noch stärker den dominierenden imperialistischen Mächten unterwerfen müssen. Dann wird in Brüssel entschieden, ob Beschäftigte im öffentlichen Dienst gefeuert, Renten und Sozialleistungen gekürzt oder die Mehrwertsteuer hochgeschraubt wird. Das erbost die Massen bis hin zu bürgerlichen Kräften in diesen Ländern.
Das Potenzial der revolutionären Weltkrise
Eine entscheidende Folge ist: die Internationalisierung der Klassenkämpfe, die bereits im Entstehen und Wachsen ist, beschleunigt sich. Auch das hat die MLPD vorausgesagt und sich mit großem Engagement für die Schaffung der „Internationalen Koordinierung revolutionärer Parteien und Organisationen“ (ICOR) eingesetzt.
Die Massenproteste, die sich seit Monaten in ganz Europa wieder beleben, und die das wichtigste Merkmal eines ausgeprägten Linkstrends sind, zeigen in Griechenland und gegenwärtig besonders in Spanien Merkmale eines Übergangs zum Klassenkampf im eigentlichen Sinn. Ein Blick nach Spanien oder Griechenland zeigt, was auch hier auf die Masse der Bevölkerung zukommt, wenn der nächste Kriseneinbruch kommt. Der Kapitalismus, den Ex-SPD-Kanzler Schmidt als „krisenfrei“ heilig sprach und in dem ein US-Vordenker Fukuyama das „Ende der Geschichte“ sah, entfaltet mit immer größerer Wucht und Zerstörungskraft seine Krisenhaftigkeit.
Im Unterschied zu dem allein herrschenden internationalen Finanzkapital hat das internationale Industrieproletariat strategisch die besseren Karten. Es gibt keinen Grund abzuwarten, wann und wie der nächste Einbruch kommt. Die Bereitschaft zu länderübergreifenden kämpferischen Zusammenschlüssen wächst und gewinnt schnell Anhänger auf der ganzen Welt. Die Koordinierung und Revolutionierung der Kämpfe entwickelt sich. Diese Kräfte müssen gestärkt werden, um immer mehr Menschen für die aktive Teilnahme an der Vorbereitung der internationalen Revolution zu gewinnen.
Anna Bartholomé