Nahost: Solidarität gegen imperialistische Einmischung!

Weltweit stößt das blutige Massaker vom 26. Mai in der syrischen Ortschaft Al-Hula, bei dem mindestens 108 Menschen getötet wurden, auf Empörung. Bis heute ist jedoch nicht geklärt, wer die Verantwortung dafür trägt. Der UNO-Sicherheitsrat hat das Massaker verurteilt, ohne jedoch ausdrücklich Verantwortliche zu nennen. Fest steht, dass ein Teil der Opfer auf Artilleriebeschuss des Militärs des reaktionären Assad-Regimes und mit ihm in Verbindung stehender paramilitärischer „Killerkommandos“ zurückzuführen ist. Aber es gibt auch Hinweise, dass von den westlichen Imperialisten instrumentalisierte und bewaffnete Kräfte ihre schmutzigen Finger im Spiel haben.

Mit der Vertiefung der Weltwirtschafts- und Finanzkrise verschärft sich die Rivalität der Imperialisten um die Beherrschung des Mittelmeerraums und Nahen Ostens.
In seinem Interview in der „Roten Fahne“ führte Stefan Engel am 24.4.2012 aus: „Es ist das geostrategische Ziel des US-Imperialismus, durch eine Neuordnung im Nahen und Mittleren Osten seine beherrschende Rolle zu verteidigen bzw. wiederherzustellen. Schließlich geht es hier um zwei Drittel der bekannten Erdöl- und Erdgaslagerstätten und eine machtpolitische und militärstrategische Vormachtstellung über den gesamten eurasischen Kontinent.“ (RF 17/2012)
Von US- bzw. EU-Imperialisten abhängige Regimes in der Region sind durch den Kampf um Freiheit und Demokratie in zahlreichen Ländern der Region ins Wanken geraten. In Ländern wie Marokko, Tunesien, Ägypten mussten Diktatoren abtreten. Der Widerstand des palästinensischen Volkes gegen die brutale Unterdrückungs- und Besatzungspolitik des israelischen Staates ist nicht gebrochen. Diese US-Bastion im Nahen Osten ist auch durch viele innere Widersprüche, Streiks und Demonstrationen keineswegs stabil. In verschiedenen Ländern der arabischen Halbinsel wie Bahrain und Saudi-Arabien kann eine Ausweitung von Arbeiter- und Volksprotesten nur durch brutale Unterdrückung verhindert werden.

Der Kampf um Syrien
Seit dem Frühjahr 2011 dehnte sich die Länder übergreifende demokratische Aufstandsbewegung aus auf Syrien. Das Assad-Regime ist eine korrupte Militärdiktatur, das seine Macht hauptsächlich mit offener Unterdrückung (unter anderem mit 15 Geheimdiensten) aufrecht erhält. Die herrschende Clique, die sich auch unverhohlen persönlich bereichert, setzt sich zu einem größeren Teil aus der Assad-Familie und diversen Verwandten zusammen. Das Regime erhält gegenwärtig eine offene Unterstützung vom russischen Imperialismus, dem chinesischen Sozialimperialismus und dem faschistischen Regime des Iran. Das Land hat eine wichtige geostrategische Lage und verfügt unter anderem über Öl- und Gasreserven (mehr dazu auf S. 8).
Der Kampf zum Sturz dieses Regimes, soweit er vom Volk mit demokratischer und antiimperialistischer Stoßrichtung geführt wird, ist vollständig berechtigt und verdient die Solidarität aller Demokraten, Internationalisten und Revolutionäre der Welt.
Die USA zielen gegenwärtig darauf, das Assad-Regime  politisch und wirtschaftlich weiter zu destabilisieren. Deshalb versucht der US-Imperialismus, Teile der Opposition für seine Interessen zu instrumentalisieren. So ist der in der Türkei angesiedelte „Syrische Nationalrat“ solch ein Instrument oder auch die „Freie Syrische Armee“, die über die Türkei und Saudi-Arabien hochgerüstet wurde. Ziel ist ein „Regime Change“, d. h. ein neues Regime zu installieren, das dazu beiträgt, den Einfluss der westlichen Imperialisten, vor allem der USA, zu stärken.
Auch die deutsche Regierung favorisiert die US-Methode, wenn Westerwelle eine „jemenitische Lösung“ ins Spiel bringt. Im Jemen wurde der Staatschef zum Rückzug gedrängt. Dafür durften alle anderen Spitzen von Regierung und Armee ihre Posten behalten. Teile der Oppositionskräfte wurden durch Zugeständnisse bestochen und eingebunden.
Derzeit ist ein offener Militärschlag gegen Syrien nicht das Ziel der Imperialisten, auch wenn der französische Präsident Hollande in diese Richtung vorgeprescht ist. Die EU-Regierungen und die USA müssen vor allem dem „Problem“ Rechnung tragen, dass in der Bevölkerung ihrer Länder ein tiefer Friedenswille herrscht, aggressive imperialistische Militärschläge von der Mehrheit abgelehnt werden. Aber die Imperialisten können auch nicht ohne weiteres einen neuen Krieg vom Zaun brechen nach dem Desaster im Irak und Afghanistan.
So hat Obama gegenüber Russland signalisiert, dass Russland seinen Militärstützpunkt in Syrien gegen andere Zugeständnisse behalten könne, wenn es sich von Assad distanziert. Das kann ja wohl nicht die Perspektive sein, dass Imperialisten untereinander ihre Vormachtstellung „aushandeln“.
Auch verschiedene revisionistische Kräfte sorgen hier für Verwirrung, wenn sie vom „antiimperialistischen Charakter“ des Assad-Regimes sprechen. Es ist schon eine unglaubliche Verharmlosung, wenn z.B. der ehemalige Chefredakteur des DKP-Zentralorgans „Unsere Zeit“, Georg Polikeit, mit Blick auf die Abstimmung über die scheindemokratische Verfassung schreibt, „dass die Mehrheit der syrischen Bevölkerung dem Assad-Regime zwar vielleicht nicht gerade begeistert zustimmt, aber dennoch für diese Verfassung stimmte, weil sie … sich nicht vom Ausland sagen lassen will, wer in Syrien zu regieren hat …“ („UZ“, 2. 3. 2012) Als ob das Assad-Regime nicht seit langem unter der Fuchtel „des Auslands“ gestanden hätte! Das Assad-Regime war ein Statthalter des sowjetischen Sozialimperialismus und heute des russischen und chinesischen Imperialismus.
Gegen Leute, die sich gegen jede imperialistische Einmischung wenden, wird zugleich rigoros vorgegangen. So gegen den in Syrien lebenden palästinensischen Revolutionär Salameh Kaileh, der bereits acht Jahre in syrischen Gefängnissen verbrachte und erst vor kurzem aufgrund der internationalen Solidarität aus einer erneuten Verhaftung entlassen wurde.

Geschäfte, Märkte und Waffen
Auch die EU – vorne dran Deutschland – kämpft zäh um ihre Einflussgebiete im Nahen und Mittleren Osten. Sie war traditionell eng mit den Regimes der meisten dieser Länder verbunden und muss nun versuchen, den Kampf um die Neuordnung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. James Rogers ist Chef der „Group on Grand Strategie“, die mit zahlreichen Militärwissenschaftlern, „Sicherheitsanalysten“ usw., unter anderem auch mit der Bertelsmann-Stiftung eng zusammenarbeitet. Er schreibt: „Die Europäer müssen eine strategischere und mehr nach vorne gerichtete Annäherung an ihre südliche Nachbarschaft, einschließlich des Mittleren Ostens, entwickeln. Diese Regionen, nicht zuletzt die Levante (die Länder der östlichen Mittelmeerküste – RF), sind … von zentraler Bedeutung für Europas Sicherheit … Zumindest bedeutet das, ein hohes Maß an Kontrolle über egal welche aus der Asche der Revolutionen hervorgehenden Regierungen zu behalten, indem man sie ermutigt, sich in die europäische Nachbarschaft zu integrieren.“ (europeangeostrategy.ideasoneurope.eu/22011/09/19 – eigene Übersetzung).
Die deutsche Regierung arbeitet intensiv daran. Die bevorstehende Lieferung von Leo-Panzern nach Saudi-Arabien und aktuell die jetzt atomar bestückten U-Boote nach Israel ist eine klare Positionierung. Kurz, nachdem Bundespräsident Gauck in Israel und Palästina war, reist jetzt Außenminister Westerwelle fünf Tage lang herum – durch Katar, in die Vereinigten Arabischen Emirate, den Libanon und die Türkei. Dort nimmt er dann auch teil am „Global Counterterrorism Forum“, einem Forum für Aufstandsbekämpfung, das letztes Jahr auf Betreiben der USA mit 30 Staaten gegründet wurde. Dort sind neben den üblichen Imperialisten unter anderem auch eine ganze Reihe von arabischen und Staaten aus dem Mittelmeerraum vertreten, die geradezu als „demokratische Musterländer“ firmieren könnten: Algerien, Ägypten, Jordanien, Katar, Marokko, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, die Türkei …

Für eine antiimperialistische neudemokratische Revolution
Die wachsende spontane Massenbewegung in Syrien hat zurzeit eine entscheidende Schwäche, es fehlt ihr die klare Perspektive in ihrem Kampf. Die berechtigte Rebellion des syrischen Volkes kann letztlich nur mit der Errichtung einer antiimperialistischen neudemokratischen Ordnung erfolgreich sein. Das verbindet sie mit dem Kampf in den anderen nordafrikanischen Staaten. Die neudemokratische Revolution in diesen Ländern wird so zu einem wesentlichen Bestandteil im Prozess der Vorbereitung der internationalen sozialistischen Revolution.
Die Unterstützung aller fortschrittlichen, revolutionären und marxistisch-leninistischen Kräfte ist eine vordringliche Aufgabe. Mit der ICOR (Internationale Koordinierung Revolutionärer Parteien und Organisationen) besteht jetzt eine Organisation, die solche Aufgaben erfüllen kann. Im Rahmen der ICOR-Kampagne der MLPD kann jeder dazu beitragen, sie breit bekannt zu machen und zu stärken.
Notwendig wird aber auch eine Höherentwicklung der Weltfriedensbewegung, die  entschieden gegen imperialistische Kriegshetze und Militarismus eintritt.