Eine Woche der gelebten internationalen Arbeitereinheit
Am 20. Mai ging der 7. Internationale Automobilarbeiterratschlag in München mit der einmütigen Beschlussfassung der Vorbereitung einer ersten internationalen Automobilarbeiterkonferenz zu Ende.
Sie soll 2015 am Daimler-Standort Sindelfingen stattfinden. Wie sehr eine verbindlichere Zusammenarbeit gebraucht wird, unterstrich die mitten in den Automobilarbeiterratschlag platzende Nachricht: Das GM/Opel-Management will den Astra künftig nicht mehr in Rüsselsheim, sondern im britischen Ellesmere Port und im polnischen Gliwice bauen lassen. Dafür soll die Zafira-Produktion ins Rüsselsheimer Werk verlagert und das Werk in Bochum platt gemacht werden. Im Rahmen der strategischen Allianz von GM und Peugeot-Citroën (PSA) sind auch Werksschließungen bei PSA Aulnay und Madrid geplant.
Gegen die internationale Zusammenarbeit der Konzerne und das Ausspielen der einzelnen Belegschaften brauchen die Automobilarbeiter eine länderübergreifende Zusammenarbeit, die ihre Überlegenheit organisiert und ihren Kampf mit der Perspektive einer von Ausbeutung und Unterdrückung befreiten Gesellschaft im Sozialismus verbindet. Die Auseinandersetzung darüber spielte auf dem Automobilarbeiterratschlag eine zentrale Rolle.
Statt in erster Linie auf Angriffe und Schwierigkeiten zu starren, komme es darauf an, sich von der Zuversicht leiten zu lassen, dass wir gemeinsam alle noch so großen Probleme überwinden können, hieß es in einem Redebeitrag. Dies strahlte auch die Delegation der seit über 200 Tagen streikenden griechischen Stahlarbeiter aus, die am 19. Mai überraschend eintraf. Gewerkschaftssekretär Panagiotis Katsaros rief den Teilnehmern zu: „Wir kämpfen gegen die Konzernherrn, gegen die griechische Regierung und gegen die Troika. Aber auch gegen Widerstand innerhalb der Gewerkschaftsführung. Wir sind mit den Streikbrechern fertig geworden – und wir sind uns so einig wie am ersten Tag. Wir werden unseren Kampf fortsetzen, bis wir die Kapitalistenklasse besiegt haben.“
„Das ist der Weg des Sieges“
Von Anfang an war auf dem Automobilarbeiterratschlag zu spüren, dass der feste Wille zum kämpferischen Zusammenschluss die internationalen Teilnehmer mehr denn je vereinte. „Wir müssen uns vereinigen. Als Arbeiterbewegung der ganzen Welt. Das ist der Weg des Sieges“, so ein Teilnehmer aus Russland. Vertreter bedeutender Kämpfe, Gewerkschaften und Organisationen der Arbeiterbewegung waren in München zusammengekommen. Zur 14-köpfigen Delegation aus Frankreich gehörten Kollegen mehrerer PSA-Betriebe, von Renault, GM und Ford. Aus Spanien waren neun Kollegen der Gewerkschaft CGT aus mehreren Automobilbetrieben gekommen, aus Brasilien der Vorsitzende sowie drei weitere Vertreter des kämpferischen Dachverbands Conlutas, aus Russland unter anderem der Vorsitzende der Automobilarbeitergewerkschaft bei GM. Gautam Mody aus Indien repräsentierte die überparteiliche Gewerkschaftsinitiative NTUI. Die Delegierten aus Südkorea waren führend an der Organisierung des Streiks der Ssangyong-Arbeiter von 2009 beteiligt. Über zwei Monate lang hielten 1.000 Arbeiter, unterstützt durch die Solidarität der Familien und der Bevölkerung, das Werk besetzt – bis es mit militärischer Gewalt erobert wurde. Wie sie von den 22 inzwischen an den physischen und psychischen Folgen dieser Auseinandersetzung Gestorbenen berichteten, aber auch von ihrer immer wieder aufs Neue erkämpften Entschlossenheit und Zuversicht – das ging den Teilnehmern des Ratschlags tief unter die Haut. Von den über 600 Teilnehmern des Ratschlags kamen rund 60 Kolleginnen und Kollegen aus 19 Ländern auf vier Kontinenten.
Begeisterter Empfang für griechische Stahlarbeiter
Das Eintreffen der Delegation der griechischen Stahlarbeiter war zweifellos ein Highlight des Ratschlags. Noch kurz zuvor hatte sie ihre Rundreise in Deutschland kurzfristig absagen müssen. Sie wurden in Aspropirgos gebraucht, damit die Belegschaft mit den Attacken durch Streikbrecher, Staatsapparat und Spaltungsversuchen fertig werden konnte. Das gelang und sie setzten alles daran, doch noch nach Deutschland zu kommen. Am Samstag, 19. Mai, wurden sie von den versammelten Teilnehmern des Ratschlags begeistert empfangen. So konnten Sofia Roditi, Sprecherin der griechischen Stahlarbeiterfrauen, und Gewerkschaftssekretär Panagiotis Katsaros dem Welttreffen der internationalen Automobilarbeiter live von ihrem Kampf berichten.
Es war beeindruckend, wie die griechischen Stahlarbeiter bisher mit allen Anfeindungen und Schwierigkeiten fertig geworden sind: der Drohung mit der Entlassung weiterer Arbeiter, der Erpressung mit der Schließung des ganzen Werks, der Hetze gegen die angeblich „faulen“ griechischen Arbeiter und zuletzt dem massiven Versuch, Streikbrecher ins Werk zu schleußen. Auch die Opel-Arbeiter berichteten, wie sie die Spaltung zwischen ihnen und den Antwerpener Kollegen, aber auch antikommunistische Intrigen gegen kämpferische Kolleginnen und Kollegen attackiert und überwunden haben. Französische PSA-Kollegen werteten ihre Erfahrungen mit der Spaltung zwischen Leiharbeitern und Stammbeschäftigten und der erfolgreichen Organisierung gemeinsamer Kampfaktionen aus. Und die Delegation der Ssangyong-Arbeiter erzählte stolz, wie man mit aufkommenden Angst- und Panikgefühlen angesichts brutaler Polizeieinsätze fertig werden kann.
Intensive Diskussionen
Diese Siegeszuversicht schlug sich in einer schöpferischen, differenzierten und feinfühligen Streitkultur des Automobilarbeiterratschlags nieder, mit der auch komplizierte Widersprüche und Probleme gelöst werden konnten. Intensive Diskussionen gab es insbesondere darüber, worin der notwendige Schritt voran besteht. Ein Teilnehmer der französischen Delegation und ein französischer Teilnehmer der polnischen Delegation sprachen sich gegen den Beschluss zur Vorbereitung einer Automobilarbeiterkonferenz aus. Sie zogen nach der Diskussion ihre Anträge gegen die verbindlichere Koordinierung zwar zurück, beteiligten sich dann aber nicht an der Abstimmung. Es wurde in der Diskussion eindeutig geklärt und festgelegt, dass die Mitarbeit an der Vorbereitung der ersten Automobilarbeiterkonferenz nur auf der Grundlage der beschlossenen Abschlussresolution möglich ist.
Ratschlag beschließt verbindliche Koordinierung
Zur Bedeutung der geplanten internationalen Automobilarbeiterkonferenz heißt es in der Abschlussresolution des Ratschlags: „Wir schließen damit einen Pakt der gegenseitigen Unterstützung. … Wir setzen uns für die Verweigerung von Streikbrecherarbeiten ein, für die kämpferische Solidarität, die Stärkung der gemeinsamen gewerkschaftlichen Organisiertheit und organisieren einen regelmäßigen Informations- und Erfahrungsaustausch sowie die länderübergreifende Koordinierung und Kooperation der Kämpfe. Wir stehen für die enge Zusammenarbeit mit den Arbeitern aller Branchen, mit der Jugend-, Umwelt-, Frauen-, allen Volksbewegungen und der revolutionären Bewegung der Welt. Stärken wir die internationale Solidarität und den Übergang zu gemeinsamen Kämpfen um gemeinsame Forderungen!“
Die zukünftige internationale Automobilarbeiterkonferenz soll auf vier Säulen beruhen:
• einer beschlussfassenden Delegiertenversammlung mit bis zu fünf Länderdelegierten
• Foren der internationalen Konzernzusammenarbeit
• themenbezogenen Arbeitsgruppen und Workshops
• einem breiten Massen- und Kulturprogramm.
Sowohl die einvernehmlichen demokratischen Beschlüsse der Konferenz als auch die Entscheidung der einzelnen Organisationen und Kräfte, sich aktiv an Aufgaben zu beteiligen, werden einen höheren Grad der Verlässlichkeit und Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit gewährleisten.
Die bereits auf dem letzten und vorletzten Automobilarbeiterratschlag beschlossenen Solidaritätschartas für eine internationale Konzernzusammenarbeit wurden überarbeitet und weiterentwickelt. GM/ Opel-Arbeiter aus 14 Werken (einschließlich Delegationen französischer PSA-Werke, die mittlerweile zum GM-Produktionsverbund gehören), beschlossen auf ihrem Konzernforum: „Wir erklären an die Adresse von GM: Wenn ihr dachtet, eure in den letzten Wochen verkündeten Attacken würden unsere Spaltung verstärken, müssen wir euch enttäuschen. Im Gegenteil, wir haben uns enger denn je zusammengeschweißt. Der aktuelle Kampf gegen die geplanten Werksschließungen von Opel Bochum, PSA Aulnay und PSA Madrid ist unser aller Kampf!“
Die Teilnahme von internationalen Delegationen des Automobilarbeiterratschlags aus fünf Ländern an einer von der Bochumer Montagsdemo organisierten Kundgebung vor dem Opel-Werkstor am nächsten Tag war eine erste schlagkräftige Umsetzung dieses Beschlusses. Wie sehr Opel die internationale Arbeitereinheit fürchtet, zeigt die Tatsache, dass die angekündigte „öffentliche“ Betriebsversammlung eher einer Festung glich. Außer der „Polit-Prominenz“ wurden keine Gäste reingelassen. Vor über 3.000 Opelanern drückte sich Opel-Chef Stracke feige um eine klare Aussage, versuchte Zeit zu gewinnen und vertröstete auf eine Erklärung am 28. Juni.
Die MLPD hat sowohl den Automobilarbeiterratschlag, die Rundreise der Delegation aus Aspropirgos als auch die Vorbereitung eines neuen Kampfs der Opel-Arbeiter aktiv unterstützt bzw. tut dies noch. Es ist von großer Bedeutung, dass auch die revolutionäre Weltorganisation ICOR den Automobilarbeiterratschlag zu ihrer Sache gemacht hat.
Internationale Arbeitereinheit
ICOR-Organisationen in verschiedenen Ländern setzten ihren Einfluss dafür ein, klassenkämpferische Kollegen aus Automobilbetrieben und kämpferische Gewerkschafter für den Automobilarbeiterratschlag zu mobilisieren. Sie machten den Ratschlag in ihren Ländern bekannt, warben dabei insbesondere für die revolutionäre Perspektive und nützten ihre internationalen Beziehungen, um Kräfte aus weiteren Ländern zu gewinnen. Nur gemeinsam mit allen Arbeitern der internationalen Produktionsverbünde und unter Führung revolutionärer Parteien können auch die Automobilarbeiter „siegen“ und vereinigte sozialistische Staaten der Welt erkämpfen.
Die MLPD tritt für diese internationale Arbeitereinheit mit der Perspektive des Sozialismus ein und führt dazu gegenwärtig eine Kampagne zur Bekanntmachung und finanziellen Stärkung der ICOR durch. In deren Gründungsresolution heißt es: „Das Milliarden zählende weltweite Proletariat bildet letztlich im Bündnis mit den breiten Massen eine dem Imperialismus überlegene Macht, wenn es international organisiert den Kampf um seine Befreiung aufnimmt und im Kampf der Völker für nationale und soziale Freiheit seine führende Rolle spielt!“