Hannelore Kraft – die „kümmernde Landesmutter“?

Wie eine Landesmutter lächelt Ministerpräsidentin Hannelore Kraft von Wahlplakaten runter, wohltätig posierend neben Kindern. „Kein Kind zurücklassen“ ist eines der SPD-Wahlversprechen in Nordrhein-Westfalen.

„Das macht mir große Sorgen“, ist einer der Lieblingsaussprüche der SPD-Spitzenkandidatin, den sie unter anderem im TV-Duell mit Norbert Röttgen mehrmals wiederholt.
Sehr sorgsam wird an einem diffusen Image von Hannelore Kraft als „Kümmerin“ gearbeitet. Dabei geht es auch um den Versuch, das Bild von der SPD als unsoziale „Agenda-Partei“ vergessen zu machen. Auch Hannelore Kraft hat jahrelang die „Agenda-Politik“ von Ex-Kanzler Schröder „loyal“ verteidigt. Jetzt hat sie zwar einzelne Wahlversprechungen wie die Abschaffung der Studiengebühren oder die Beitragsfreiheit des dritten Kita-Jahrs erfüllt. Von einer allgemein „sozialen Politik“ der SPD/Grünen-Regierung kann aber keine Rede sein. NRW ist immer noch Bundesland „Nummer eins“ in Sachen Kinderarmut. Im Jahr 2010 war fast ein Viertel – 100.828 Kinder – der unter Dreijährigen arm. Der Anteil der Kinder mit Hartz-IV-Bezug ist rasant angestiegen, vor allem im Ruhrgebiet. Die SPD behauptet dennoch in ihrem Wahlprogramm, sie verwirkliche in ihrer Schulpolitik das Prinzip „Kurze Beine – kurze Wege“. Warum stehen dann aber weitere 400 Grundschulen vor dem „Aus“? Im letzten Jahr wurden bereits 50 Schulen geschlossen.  
In vielen Städten werden Proteste dagegen organisiert. Zum Wahlkampf von Hannelore Kraft gehört auch das Image, Bürgerinitiativen und ehrenamtliche Projekte vor Ort zu besuchen. Das lässt sie als Alternative zur ausgemachten Arroganz der meisten bürgerlichen Politiker erscheinen. So trat sie kürzlich auf Wahlkampftour bei der Lemgoer Bürgerinitiative auf, die sich gegen die Schließung der wohnortnahen Grundschule „Ostschule“ wehrt. Die berechtigte Skepsis der betroffenen Eltern konnte sie nicht so recht zerstreuen. „Wenn ich die Wahlplakate der verschiedenen Parteien betrachte, auf denen sich z. B. Herr Röttgen und Frau Kraft werbewirksam mit Kindern ablichten lassen, und wir hier vor Ort Schulpolitik von leerstehenden Gebäuden abhängig machen, dann erscheint mir die Wahlwerbung nicht sehr glaubwürdig“, so Tim Stevener von der Bürgerinitiative.  
Auf Wahlkampftour geht die SPD/Grünen-Koalition auch mit ihrem „Stärkungspakt Stadtfinanzen“. Groß herausgestellt wird, dass den „armen Städten“ 3,5 Milliarden Euro aus dem Landeshaushalt zur Verfügung gestellt werden. Was das für diese bedeutet, wird nicht so sehr herausposaunt. Denn im Gegenzug müssen sie umfassende Kürzungen beschließen. Tun sie das nicht freiwillig, kommt der „Sparkommissar“. In Herten etwa bekommt die Stadt 75 Millionen Euro, muss aber Kürzungen in Höhe von 100 Millionen Euro durchführen. Dazu sollen unter anderem 20 Prozent des städtischen Personals abgebaut, drei Schulen sowie das „Bürgerhaus Süd“ geschlossen und Gebühren werden.   
Als einer der größten Mogelpackungen erweist sich der sogenannte „Schulkonsens“. Ursprünglich wollten SPD und Grüne 30 Prozent der weiterführenden Schulen bis 2015 in „Gemeinschaftsschulen“ verwandeln, in denen alle Kinder bis zur sechsten Klasse zusammen lernen. Jetzt ist nur noch von „längerem gemeinsamen Lernen“ in noch zu gründenden Sekundarschulen die Rede, grundsätzlich bleibt es aber beim alten dreigliedrigen Schulsystem.