Griechenland: 170 Tage Streik der Stahlarbeiter
Seit nunmehr über 170 Tagen streiken die Stahlarbeiter des griechischen Stahlwerks von „Helliniki Halyvourgia“ in Aspropirgos bei Athen.
Nachdem die Geschäftsleitung von den Arbeitern verlangte, nur noch fünf Stunden an fünf Tagen zu arbeiten und auf 40 Prozent des Lohns zu verzichten, wurde dies von ihnen einstimmig abgelehnt. Als dann 51 Kollegen entlassen wurden, traten die 400 Stahlarbeiter in den unbefristeten Streik für die Rücknahme der Kündigungen und die Auszahlung der vollen Löhne. Der Streik, der bis heute andauert, steht für die Entschlossenheit der Mehrheit der griechischen Arbeiter und breiten Massen, sich den drastischen Krisendiktaten der „Troika“ aus IWF, EU und Europäischer Zentralbank nicht zu beugen.
Schon seit Jahren wurde die Ausbeutung in dem Stahlbetrieb enorm gesteigert, die Produktion wurde in einem Jahr um 70.000 Tonnen erhöht. Wie in den deutschen Stahlwerken ist dies verbunden mit wachsender Arbeitshetze und der Zunahme von Unfällen. Mittlerweile wurden 93 Stahlarbeiter entlassen, der Kampf für die Wiedereinstellung der Gekündigten wird allen Spaltungs- und Erpressungsversuchen zum Trotz geführt – damit ist es auch ein politischer Kampf.
Der Streik findet große Anerkennung und Solidarität unter der griechischen Bevölkerung. Bei verschiedenen Demonstrationen im Rahmen von Generalstreiks gegen die Krisenprogramme der „Troika“ marschierten die Stahlarbeiter von Aspropirgos in vorderster Reihe. Von Frankreich bis nach Mexiko reichen inzwischen die Solidaritätserklärungen und -spenden. Am 168. Streiktag kam ein Lkw aus Frankreich vor die Tore mit Tonnen von Lebensmitteln, die in Frankreich gesammelt wurden.
„Es geht um die Zukunft unserer Kinder“
Der Kampf der griechischen Stahlarbeiter ist auch der Kampf ihrer Frauen und Familien. So sind die Stahlarbeiterfrauen von Aspropirgos an der Organisierung und Durchführung der Wachdienste vor dem Tor beteiligt. Sie organisieren Fahrten zu anderen Stahlwerken und die Solidarität der Stahlarbeiter untereinander. Sie veranstalten Feste für die Kinder und streikenden Männer, einige dokumentieren den Streik und alles, was damit zusammenhängt, auf Video. Nicht zu vergessen die gemeinsame Durchführung und Beteiligung an den Demonstrationen auf dem Athener Syntagma-Platz. „Ohne die Unterstützung unserer Frauen hätten wir nicht so lange durchhalten können“, so die Meinung der Stahlkumpels. Und eine der Frauen meint selbstbewusst: „Wir Frauen sind nicht da, um im Haus zu bleiben, zu waschen und zu kochen und die Kinder großzuziehen. Wir positionieren uns für den Kampf unserer Männer, denn dabei geht es um die Zukunft unserer Kinder.“
Industriearbeiter – Rückgrat für wachsenden Volkswiderstand
In dem Stahlwerk findet jede Woche eine Streikvollversammlung statt, auf der über alle wichtigen Entscheidungen – wie die Fortsetzung des Streiks – abgestimmt wird. Das sind wichtige Formen der direkten Demokratie, die unverzichtbar sind als Schule der Machtausübung des Proletariats in einer künftigen sozialistischen Gesellschaft und der Kontrolle der Bürokratie im Sozialismus durch die Massen.
Mehr und mehr Menschen in Griechenland orientieren sich an den Kampfformen und Zielen der Arbeiterklasse. Ein Lied über die streikenden Stahlarbeiter ist ganz vorne in den griechischen Charts. Ganze Schulklassen besuchen die Streikenden, es fanden mehrere Solidaritätsstreiks statt, die Athener Oper hat auf dem Werksgelände ein Konzert gegeben.
Gegen den Beschluss der Regierung, eine besondere Steuer auf die Stromrechnung zu erheben, um die Steuereinnahmen zu erhöhen, hat sich im ganzen Land eine wachsende Widerstandsbewegung herausgebildet. Auf lokalen Versammlungen im ganzen Land werden Maßnahmen dagegen organisiert. 2010 gründeten sich lokale Bürgerkomitees gegen die Mautgebühren, die erst vereinzelt, seit einiger Zeit in koordinierten, landesweiten Aktionen Mautstellen besetzen und für freie Fahrt sorgen. Die „Wir zahlen nicht“-Nachbarschafts- und Dorfkomitees können ebenfalls zu Organisationen der direkten Demokratie weiterentwickelt werden – in Verbindung mit der Heranführung der kämpfenden Massen an den revolutionären Kampf für ein demokratisch-antiimperialistisches System mit der Perspektive des Sozialismus.
Teil des internationalen Industrieproletariats
Die Stahlarbeiter gehören zum Kern des Industrieproletariats. Diese Schicht der Arbeiterklasse wächst schnell und macht mit 400 bis 500 Millionen derzeit über 10 Prozent der mehr als 4,3 Milliarden Erwerbstätigen weltweit aus. In den großen Industriekonzernen arbeiten sie weltweit auf dem Niveau der höchstentwickelten Produktivkräfte. Sie sind international vernetzt und durch ihre Denk- und Arbeitsweise fähig, die übrige Arbeiterklasse und die breiten Massen bei der historischen Umwälzung vom Kapitalismus zum Sozialismus zu führen.
Europaweite Kämpfe der Stahlarbeiter
Die internationale Neuordnung der Stahlindustrie und der Konkurrenzkampf darum soll auf dem Rücken der Belegschaften ausgetragen werden. In der Stahlindustrie als Grundstoffindustrie zeichnen sich bevorstehende neue Kriseneinbrüche schon früher ab. So gibt es Pläne, dass der komplette Stahlbereich von ThyssenKrupp abgestoßen werden soll. Auch bei ArcelorMittal gibt es Pläne zur Schließung ganzer Standorte. Letzte Woche blockierten Stahlarbeiter in Lothringen zum dritten Mal in Folge das Werk von ArcelorMittal gegen die Stilllegung von zwei Hochöfen (siehe Seite 8). Diese in verschiedenen Ländern Europas aufflammenden Kämpfe der Stahlarbeiter müssen koordiniert und revolutioniert werden.
ICOR muss stärker werden!
Die MLPD ist Gründungsmitglied der ICOR und setzt sich für ihren weiteren Aufbau ein, damit die Arbeiter eine dem international allein herrschenden Finanzkapital überlegene Kraft werden können. Dazu arbeitet sie auch mit den ICOR-Organisationen in den anderen Ländern wie unter anderem in Griechenland zusammen. Das umfasst auch den weiteren Vereinheitlichungsprozess unter den ICOR-Organisationen auf der Grundlage der praktischen Zusammenarbeit. Eine zentrale Frage dabei ist, mehr und mehr zu verstehen, dass die Gewinnung des internationalen Industrieproletariats eine gemeinsame Aufgabe der revolutionären Parteien und Organisationen werden muss.
Der Aufbau und die Stärkung der revolutionären Parteien und Organisationen, die Stärkung und schrittweise Vereinheitlichung der ICOR sowie die Schaffung geeigneter Organisationsformen ermöglichen es, die Kämpfe der Stahlarbeiter immer besser international gemeinsam zu führen. Dazu müssen auch die Stahlbetriebsgruppen der MLPD die internationale Koordinierung und Revolutionierung der Kämpfe und die Förderung des internationalistischen Bewusstseins der Stahlarbeiter zu ihrer festen Aufgabe machen.