„Industriedienstleistungen“ – Leiharbeit in neuem Gewand

Mit 910.000 hat die Zahl der Leiharbeiter in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht. Gleichzeitig wurden im Kampf gegen Spaltung und Lohndumping durch Leiharbeit bestimmte Zugeständnisse erreicht.

Die von der Pseudogewerkschaft „Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit“ (CGZP) abgeschlossenen Dumping-Tarifverträge für Leiharbeiter wurden durch das Bundesarbeitsgericht für nichtig erklärt. In der Stahlindustrie wurde durch den im Herbst 2010 erkämpften Tarifvertrag die Bezahlung von Leiharbeitern nach dem Stahltarif durchgesetzt, in vielen Betrieben der Metallindustrie wurde ebenfalls die gleiche Bezahlung („Equal Pay“) von Leiharbeitern und teilweise ihre Übernahme in unbefristete Arbeitsverhältnisse erkämpft. Ein gesetzlicher Mindestlohn für Leiharbeiter wurde eingeführt, der mit 7,89 Euro (West) und 7,01 Euro (Ost) allerdings nicht zum Leben reicht und völlig unakzeptabel ist.
Doch selbst das ist den Monopolen bereits zu viel. Um die erkämpften Rechte zu unterlaufen, entwickelten sie eine neue Methode zur Steigerung der Ausbeutung und Spaltung der Belegschaften: Die Vergabe von Arbeiten über sogenannte Werkverträge an Fremdfirmen, die sich „Industriedienstleister“, „Service-Provider“ oder ähnliches nennen. Die Ausgliederung von Bereichen, die nicht zum „Kerngeschäft“ zählen, gibt es zwar schon lange. Neu ist aber, dass zunehmend auch Kernbereiche der Produktion, z. B. ganze Fließbandstrecken, auf solche „Dienstleister“ ausgelagert werden. Sie sind weder an Mindestlöhne noch an die für die Leiharbeiter durchgesetzten „Equal-Pay“-Vereinbarungen gebunden und zahlen Niedriglöhne. Zudem machen sie die gleiche Arbeit meist mit weniger Personal, so dass durch das Outsourcing Arbeitsplätze vernichtet werden und die Ausbeutung auch dann gesteigert wird, wenn weiter Tariflöhne gezahlt werden.
Der formaljuristische Unterschied zur Leiharbeit besteht darin, dass bei den Werkverträgen die Arbeitsorganisation und Weisungsbefugnis gegenüber den Arbeitern bei der Fremdfirma liegt. Dass dies in der Praxis niemals durchzuhalten ist, wenn die Arbeit unverändert an Ort und Stelle weitergeführt wird, liegt auf der Hand. Und so arbeiten in aller Regel Beschäftigte der Stammbelegschaft und der Fremdfirma (die oft ihrerseits wieder Leiharbeiter einsetzt) Seite an Seite und unterscheiden sich nur durch ihre Arbeitskleidung. Tatsächlich sind diese Schein-„Werkverträge“ nichts anderes als verkappte Leiharbeit. Spezialisierte Juristen liefern die Anleitung, damit sie der – zunehmend großzügigen – Prüfung durch die Arbeitsgerichte standhalten. Auf einem eigens dazu durchgeführten Seminar „Freie Industriedienstleistung als Alternative zur regulierten Zeitarbeit“ am 9. September 2011 gaben sich Vertreter führender internationaler Monopole und Leiharbeitsfirmen die Klinke in die Hand.  
Damit wird das Lohndumping durch die Hintertür weitergeführt. Das im letzten Jahr eingeführte Verbot der „Methode Schlecker“, Beschäftigte zu entlassen und anschließend als Leiharbeiter wieder einzustellen, wird ebenso unterlaufen wie die „Equal-Pay“-Vereinbarungen für Leiharbeiter z. B. bei BMW. Eine WDR-Sendung vom März 2011 deckte die Praxis des Möbelkonzerns IKEA auf, der in seinem Dortmunder Europalager die Nachtschicht an eine Firma aus Litauen vergab, die ihren Arbeitern Hungerlöhne von 6,50 Euro pro Stunde zahlt.
„Kein Handlungsbedarf“, erklärte die Bundesregierung am 1. 8. 2011 auf eine „Kleine Anfrage“ der Bundestagsfraktion der Linkspartei, in der die Werkverträge als Instrument zum Lohndumping kritisiert wurden. Allen Lippenbekenntnissen zum Trotz sind Regierung und bürgerliche Parteien in keiner Weise daran interessiert, an der Einführung eines Niedriglohnsektors auf breiter Front durch die Hartz-Gesetze grundsätzlich etwas zu ändern. Zugeständnisse  können daher nur im Kampf erreicht werden. Die zur Einschränkung der Leiharbeit von der MLPD vorgeschlagenen Forderungen (siehe „Rote Fahne“ 51/2008 bzw. Rubrik „Themen/Leiharbeit“ auf der Homepage der MLPD) müssen dazu entsprechend erweitert werden:
• Gleiche Bezahlung und gleiche Arbeitsbedingungen von Stammbelegschaft, Leiharbeitern und Arbeitern von Fremdfirmen! Die Forderung in einem Gesetzentwurf der Linkspartei, dass bei Outsourcing die bisherigen Löhne und Arbeitsbedingungen weiter gelten müssen, ist voll zu unterstützen.
• Volle Anwendung der im Einsatzbetrieb geltenden Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und sonstigen Regelungen auf  alle dort Beschäftigten!
• Aktives und passives Wahlrecht für Leiharbeiter und Arbeiter von Fremdfirmen zur Betriebsratswahl im Einsatzbetrieb!
• Für ein vollständiges und allseitiges gesetzliches Streikrecht und das Recht auf freie gewerkschaftliche und politische Betätigung für alle Beschäftigten!