… völlig neu über die Evolution nachdenken
Köln (Korrespondenz): Menschenaffen haben länger in Europa gelebt als bisher angenommen: Das belegt ein sieben Millionen Jahre alter Backenzahn eines Menschenaffen, den Wissenschaftler in Flussablagerungen in der Nähe der bulgarischen Stadt Chirpan gefunden haben.
Als jüngster europäischer Menschenaffe galt bisher ein 9,2 Millionen altes Exemplar aus Griechenland. Nach der gängigen Theorie starben die Menschenaffen auf dem europäischen Kontinent vor etwa neun Millionen Jahren aus. Damals veränderten sich in Europa die Ökosysteme, savannenartige Landschaften mit saisonalem Klima entstanden. Menschenaffen als saisonale Fruchtfresser konnten, so glaubte man, durch das entstandene saisonale Defizit an Früchten nicht überleben. Tatsächlich fand das Wissenschaftler-Team in der Fundschicht des Zahnes auch Fossilien einer typischen Savannen-Fauna, darunter mehrere Elefantenarten, Giraffen, Antilopen, Nashörner und Säbelzahn-Katzen. Der Fund des Backenzahns legt deshalb nahe, dass die Menschenaffen Europas sehr wohl in der Lage waren, sich an das wechselnde Klima einer Savanne anzupassen. Darauf deutet die mikroskopische Untersuchung der Kauflächen des Backenzahnes hin. Sie belegt, dass der bulgarische Menschenaffe außer Früchten nun ebenfalls härtere Nahrung wie Gräser, Samen und Nüsse zu sich genommen hat.
Bisher gingen die Forscher davon aus, dass sich die Menschenaffen nur in Afrika weiterentwickeln konnten. Nur dort habe die Herausbildung des Menschen stattgefunden und nur von Afrika aus sei die menschliche Besiedelung der Erde erfolgt. Diese herrschende Theorie heißt „Out-of-Africa“-Theorie. Der bulgarische Fund und andere Funde aus Asien führen die beteiligte Tübinger Professorin Madeleine Böhme jedoch zu der Schlussfolgerung: „Auch was die Evolution des Menschen betrifft, muss man völlig neu darüber nachdenken, wo sie sich abgespielt hat. Es mehren sich … die Hinweise, dass sich ein gewisser Teil der menschlichen Evolution auch außerhalb Afrikas in Europa und Westasien ereignete“. (www.archaelogie-online, 13. 1. 2012)