„Spiel nicht mit den Schmuddelkindern …“
Zum Tod des linken Liedermachers Franz Josef Degenhardt
Am Montag, 14. November, als wir bei einem Spaziergang von den Herrenhäusern am Berg in die Unterstadt hinabstiegen, sang ich noch das Lied: „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder – geh’ doch in die Oberstadt, mach’s wie deine Brüder …“ Bei der Autofahrt am Abend dann die Radiomeldung – der Liedermacher Franz Josef Degenhardt ist im Alter von 79 Jahren gestorben. Ein Zufall, der mich berührte, so wie manche seiner Lieder mich berührten, weil sie die eigenen Lebensumstände so genau trafen: Als Kind selbst mit dem Nachbarssohn im Kaninchenstall herumgedrückt, Ärger mit dem Herrn Pastor gehabt, ganz so, wie’s 1965 im Lied von den Schmuddelkindern geschildert wurde …
Degenhardt, der als SPD-Mitglied 1966 in Saarbrücken zum Doktor der Rechte promovierte, gelangte unter dem Einfluss von Wolfgang Neuss, Wolf Biermann und Rudi Dutschke zur DKP. Ihn faszinierte das Milieu der kommunistischen Arbeiter im damaligen Westdeutschland, in dem es viele mutige Frauen und Männer und auch originelle Gestalten gab, die er besang. Viele widerstanden dem reaktionären Druck der Adenauer-Republik, nur wenige allerdings den Giftgeschenken der SPD. Dass in seinem Lied über „Mutter Mathilde“ die kommunistische Kneipenwirtin einen SPD-ler ins Bett nimmt und so sein Abstimmungsverhalten im Stadtrat in ihrem Sinn beeinflusst, konnte man witzig finden, oder auch nicht – im Nachhinein eher nicht.
Auch Degenhardt selbst löste sich nicht grundsätzlich vom SPD-Reformismus. Ich wollte ihn nicht mehr hören, nachdem er in einem seiner Lieder eine arrogante Hetze gegen die „Maoisten“ von sich gab. Gerade als ehemaliger Sozialdemokrat mit dem Anspruch, Kommunist zu sein, hätte er sich ernsthafte Gedanken über die Kritik machen müssen, die Mao Tsetung an der Sowjetunion und ihren Gefolgsleuten übte. Doch wie die Mehrzahl der fortschrittlichen Intellektuellen in der BRD kam er nicht zu einer grundsätzlichen Kritik an der DDR, die ja von den Herrschenden vehement angegriffen wurde, auch nachdem der Sozialismus nach hoffnungsvollen Anfängen dort Mitte der 1950er Jahre verraten wurde.
Immerhin – im Unterschied zu anderen DKP-Kulturträgern – ging er nie zum offenen Antikommunismus über.