Mogelpackung „Energiewende“
Mit Fukushima brach die Krise der Energiepolitik offen aus. Seitdem ist das Wort „Energiewende“ in aller Munde führender Staatsmänner und bürgerlicher Politiker.
Auch bisherige Hardliner, die den Atomausstieg als grüne Spinnerei abtaten, schwingen sich nun zu Fachleuten über Wege zum Wandel zu erneuerbarer Energie auf .
G8 auf Konfrontationskurs gegen Umweltbewegung
Auf dem G-8-Gipfel am 26./27. Mai von Deauville in der Nähe von Paris wurde angeblich aus Sorge wegen Fukushima ein Tagesordnungspunkt zur Atompolitik eingeführt. Das Ergebnis: Jedes Land kann machen was es will. Die Mehrheit hält am Weiterbetrieb der 439 Atomkraftwerke fest. Frankreich will die Kernenergie sogar noch besonders stark ausbauen. Der G-8-Gipfel unter Schirmherrschaft von Frankreich mit den weiteren Mitgliedsstaaten USA, Kanada, Japan, Großbritannien, Italien, Russland und Deutschland ging damit auf Konfrontationskurs gegen die weltweit anwachsende Umweltbewegung. Alle Erklärungen der Herrschenden am Tage des Ausbruchs der Katastrophe erweisen sich als Heuchelei. Die Losung heißt „Weiter so“.
Beruhigungspille „Stresstest“
Um zu zeigen, dass man aus Fukushima gelernt hat, sollen alle AKWs künftig einem „Stresstest“, unterzogen werden. Dies war ein Vorschlag vom letzten EU-Gipfel. Es sollte untersucht werden, ob die Sicherheit bei Naturkatastrophen, Terroranschlägen und Flugzeugabstürzen gewährleistet sei. Der G8-Gipfel reduzierte den Stresstest auf Naturkatastrophen. Die großbürgerliche FAZ kommentierte, dass die strenge Überprüfung der AKWs eine „recht stressfreie Angelegenheit“ für die Betreiber wird.
Die Merkelsche „Energiewende“
Nur zwei Tage nach Deauville verkündet die Regierung in Berlin ihren „Atomausstieg“ als „historischen Beitrag in der Energiepolitik.“
Von den 17 Atomkraftwerken in Deutschland sollen sechs der bereits abgeschalteten nicht mehr an das Netz gehen. Zwei sollen noch als Kaltreserve in „Standby-Funktion“ bis 2013 gehalten werden. Neun AKWs dürfen weiter betrieben werden. Eine früheste Stilllegung ist für 2021 vorgesehen, drei können noch bis 2022 laufen.
Der Regierungsbeschluss ist ein Zugeständnis an die AKW-Bewegung in Deutschland. Er ist ein Rückzieher von der 2009 gegen die Umweltproteste durchgesetzten Laufzeitverlängerung. Das zeigt in welche Defensive die schwarz/gelbe Koalition geraten ist.
Die von den Massenmedien gefeierte „Energiewende“ ist aber auch ein fauler Kompromiss:
Erstens, steht sie im Widerspruch zur Forderung nach der sofortigen Stilllegung aller AKWs, wie sie nach neuesten Umfragen inzwischen fast die Hälfte der bundesdeutschen Bevölkerung unterstützt. Darin sind sich bei allem Gezerfe die etablierten Parteien einig: sie halten einen sofortigen Atomausstieg für nicht machbar. Obwohl sie inzwischen selbst zugeben, dass auch bei Vollast auf die Stromkapazität aus Kernspaltung verzichtet werden kann, um den Bedarf zu decken. Trotzdem soll das Damoklesschwert eines Atomunfalls noch elf Jahre über der Bevölkerung schweben!
Zweitens, die „Energiewende“ ist keine wirkliche Wende in der Energiepolitik. Das verlangte nämlich volle Kraft in den Ausbau der erneuerbaren Energie zu stecken. Stattdessen sollen aber auch noch die Kapazitäten der fossilen Verbrennung (Gas, Öl und Kohle) erweitert werden. Zum Teil wird das vor allem von SPD und Grünen mit dem Versprechen der Kraft/Wärme-Koppelung garniert. Dabei zeigen die Wetterkapriolen, dass die Klimakatastrophe kein kleineres Übel gegenüber der Atomkatastrophe ist. Wir wollen weder Pest noch Cholera. Für erneuerbare Energien und Kreislaufwirtschaft!
Drittens, ist die Merkelsche „Energiewende“ sogar noch ein Rückschritt gegenüber dem Atomausstieg der Schröder-Fischer-Regierung aus dem Jahre 2000. Dieser war schon ein Betrug. Damals wurde eine Reststrommenge festgelegt, die der Produktion von 1968 bis 2000 entsprach. Das wurde noch mal in die Zukunft projiziert. Die Strommengen konnten bei Stilllegung eines AKW auf die restlichen übertragen werden. Der neue „Atomausstieg“ übertrifft nach Reststrommenge der Atommeiler den sogenannten „rot/grünen Ausstieg von 2000 um 60 Prozent.
Der bekannte Umweltaktivist Jochen Stay hat den durchaus berechtigten Verdacht, dass der Ausstieg so organisiert wird, um ein Hintertürchen offen zu halten. Wenn gleichzeitig neun Atommeiler vom Netz gehen sollen, könnte doch noch schnell wieder eine Laufzeitverlängerung durchgedrückt werden mit dem bekannten Vorwand, dass sonst die „Lichter ausgehen“.
10 Jahre „Restrisiko“ sind zu viel
Jährlich produziert ein AKW eine Energiemenge von 1.200 Hiroshima-Bomben. Jährlich werden im Schnitt rund 130 Störfälle gemeldet. Und die Endlagerung ist nicht gelöst. Jedes weitere Jahr fällt noch mal tonnenweise hochgiftiger Müll an. Wissenschaftler haben große Bedenken gegen das Endlager Gorleben, weil der Salzstock keine sichere Gewähr bietet. Um die Kritik zu unterlaufen, werden Studien über mögliche Alternativen versprochen. Aber Gorleben wird keineswegs gestoppt.
Die Netzbetreiber malen das Risiko des Netzzusammenbruchs ohne die AKWs an die Wand. Während sie das Risiko eines GAU herunterspielen, führen sie beim Stromnetz alle Risikofaktoren in gemeinsamer Wirkung auf: Frost, Windstille, Wolken, Ausfall aller anderen Energiearten usw.. Beim AKW-Betrieb wird nicht so allseitig gedacht, sondern nur Erdbeben einberechnet. Dabei stehen selbst in Deutschland viele AKWs nicht mal in erdbebensicheren Regionen.
Keine „Ideologiedebatte“?
Die Kritik der Leute wächst. Und dabei gerät auch der immer offensichtlichere Zusammenhang zu diesem menschenfeindlichen kapitalistischen System an den Pranger. Eine grundsätzliche Kritik und gar noch eine positive Lösung zur Überwindung des Kapitalismus soll aber nicht um sich greifen. Und deshalb werden in fast jeder Talkrunde Kritiker um „Sachlichkeit“ gebeten, und gemahnt, keine „Ideologiedebatte“ zu führen.
Ist es denn unsachlich, wenn auf Euro und Cent nachgewiesen wird, dass die Atompolitik im Interesse der Maximalprofite 200 Milliarden Euro von den Massen über die Staatskasse umverteilt hat? Ist es unsachlich, nachzuweisen, dass die Herrschenden über Leichen gehen? Ist es unsachlich, ein Gesellschaftssystem zu fordern, in dem der Mensch im Mittelpunkt steht – der Sozialismus!?
Ja, eine weltanschauliche Debatte muss gerade jetzt geführt werden mit der Kritik an einer Denkweise, für die nur der unmittelbare Nutzen zugunsten einer Minderheit zählt. Eine unversöhnliche Kritik an der bürgerlichen Weltanschauung die mit unserer Erde gemäß dem Motto verfährt, „nach uns die Sintflut“ und die unfähig ist, die allseitigen Zusammenhänge von menschlicher Gesellschaft in Einheit mit den Naturkreisläufen zu begreifen und bewusst danach zu handeln. Das kann nur die Weltanschauung der Arbeiterklasse, die nicht von Sonderinteressen, sondern von den Gesamtinteressen der Menschheit ausgeht und deshalb auch die ideologische Grundlage des Sozialismus ist. Die weltweite Umweltbewegung braucht einen langen Atem. Der aktive Widerstand in Deutschland kann der internationalen Widerstandsfront wichtige Impulse setzen, wenn er die sofortige Stilllegung der Atomkraftwerke durchsetzt. Die Rettung der Umwelt vor der Profitgier kann und muss gelingen. Sie ist letztlich nur in den vereinigten sozialistischen Staaten der Welt möglich.