Der Überfall der Hitlerfaschisten auf die Sowjetunion 1941
1. Teil: Hintergründe und Vorgeschichte
Kriege und Kriegsgefahr sind im staatsmonopolistischen Kapitalismus eine Gesetzmäßigkeit. „Das politische Wesen des Imperialismus ist das Streben nach Weltherrschaft“, heißt es dazu im Parteiprogramm der MLPD.
Aufgrund seiner späten Entwicklung drängte der deutsche Imperialismus mit besonderem Nachholbedarf auf die Weltherrschaft und wurde 1914 zum Hauptverantwortlichen für den ersten imperialistischen Weltkrieg. Die rechte Führung der SPD verriet damals die Arbeiterinteressen und unterstützte die Kriegsführung des Kaisers. Dagegen orientierten sich die revolutionär gebliebenen Kräfte um Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg an dem Vorbild Lenins in Russland und riefen zur Umwandlung des Kriegs in einen Bürgerkrieg gegen die herrschende Klasse auf.
Nach seiner Niederlage und der Kapitulation 1918 wurde Deutschland im Vertrag von Versailles von den imperialistischen Konkurrenten ein Siegfrieden diktiert, der Reparationen, Gebietsabtretungen und den Verlust aller Kolonien erzwang, sowie Bewaffnung und Militärstärke begrenzte. So ungerecht der imperialistische Krieg war, so ungerecht war auch der nachfolgende Frieden, der für die deutsche Arbeiterklasse eine doppelte Ausbeutung bedeutete – sowohl durch die eigene Bourgeoisie wie durch die imperialistischen Siegermächte. Es entstand eine Revanchestimmung, die besonders unter den kleinbürgerlichen Massen den Nationalismus erzeugte, der von Hitler und seiner demagogisch als „nationalsozialistisch“ bezeichneten Partei angefacht wurde.
Ablehnung der sowjetischen Angebote
1922 war unter Lenins Führung der Rapallo-Vertrag zwischen der Sowjetunion und Deutschland geschlossen worden. Verschiedene Wirtschaftsabkommen brachten zahlreichen deutschen Arbeitern eine Beschäftigungssicherung. Die Rote Armee bot der Reichswehr auf sowjetischem Territorium zudem militärische Übungsmöglichkeiten. Führende Kräfte des Monopolkapitals verlangten jedoch eine andere Politik: Sie sahen im Bolschewismus die Bedrohung ihrer Klassenherrschaft und waren strikt gegen eine Zusammenarbeit mit der Sowjetunion. In Hitler fanden sie den ihnen genehmen Politiker, der in dem 1924–26 verfassten Buch „Mein Kampf“ seine gegen den Sozialismus gerichtete Mission entwickelt hatte, die er in einem Bündnis mit England verwirklichen wollte.
Im Februar 1936 gewährte Hitler dem britischen Kulturphilosophen Arnold J. Toynbee (1889–1975) eine Audienz, die er zu einem über zweistündigen Vortrag nutzte. Toynbee schilderte später das Werben um die britische Partnerschaft gegen die „kommunistische Gefahr“, die Hitler als asiatische Bedrohung ausmalte: „Hitler begann mit einer Frage: ,Warum seid ihr Rußland so freundlich gesinnt? … Ich weiß, warum. Weil ihr euch vor Japan fürchtet. Aber wenn ihr einen Freund braucht, der euch gegen Japan hilft, warum sollte dann Rußland euer Freund sein? Warum sollte nicht ich der Freund sein, den ihr braucht? Natürlich, wenn ich euer Freund in der Not sein soll, dann müßt ihr mir meine Kolonien zurückgeben …‘“
Der Brite zeigte sich äußerst beeindruckt: „… seine Stimme war für mich unerwartet angenehm – menschlich in der Tonlage und in der Tonhöhe, das heißt solange er nicht über Rußland sprach. Sobald aber das Wort ,Rußland‘ über Hitlers Lippen kam, wurde seine Stimme rauh, und er kreischte heiser – ein Kreischen, das einen hatte zittern lassen, wenn man eine seiner aufpeitschenden, demagogischen Reden im Rundfunk hörte.“ (Zitiert in: „Der Spiegel“, Nr. 9/1967, S. 99/100)
Hitlers Umweg nach Osten
Die Monopole hatten Hitler 1933 zum Reichskanzler gemacht, als in der Folge der Weltwirtschaftskrise die SPD-Führung die Arbeiter nicht mehr bändigen konnte und eine Revolution unter kommunistischer Führung drohte. Die Herrschaftsform der bürgerlichen Demokratie wurde aufgegeben und der kreischende Antikommunist Hitler zum Retter der Kapitalsherrschaft erkoren. Arbeiterparteien und Gewerkschaften wurden verboten und ein Aufrüstungsprogramm begonnen, dass die Massenarbeitslosigkeit weitgehend beseitigte – auf die Gefahr eines neuen Krieges hin! „1939 stand die deutsche Gruppe vor einem Wendepunkt. Die deutsche Kriegsrüstung war im allgemeinen abgeschlossen. Es blieben der deutschen Wirtschaft nur drei Wege offen: 1. Umstellung auf normale Produktion und riesige Ausdehnung der Ausfuhr. Dieser Weg war infolge der hohen Zollmauern des Auslands undurchführbar. 2. Drosselung der Produktion und als Folge eine Millionen-Arbeitslosigkeit. Dieser Weg war aus innenpolitischen Gründen nicht gangbar. 3. Expansion zur Eroberung der notwendigen Rohstoff- und Absatzgebiete. Dieser Weg bedeutete Krieg, war aber für die deutsche Gruppe der einzig mögliche. Da nun die für die deutsche Industrie in Frage kommenden Rohstoff- und Absatzgebiete in Händen des englisch-französischen Kapitalismus lagen, mußte die Expansion nach dem Westen erfolgen.“ (Willi Dickhut, „Proletarischer Widerstand gegen Faschismus und Krieg“, S. 80)
Hitler bot der Sowjetunion einen Nichtangriffsvertrag an, den Stalin akzeptierte, nachdem er zuvor mehrere Jahre lang erfolglos versucht hatte, mit den Westmächten ein gemeinsames Vorgehen gegen die drei aggressivsten faschistischen Staaten – Deutschland, Japan, Italien – zustande zu bringen. Die Sowjetunion, die sich über Hitlers eigentliches Ziel vollkommen klar war, konnte damit auch Zeit für ihre eigene Aufrüstung gewinnen.
Am 7. September 1939, nachdem Hitler Polen überfallen und in der Folge England und Frankreich ihm den Krieg erklärt hatten, machte Georgi Dimitroff, der Generalsekretär der Kommunistischen Internationale, folgende Notizen über Stalins Einschätzung der Lage: „Der Krieg wird zwischen zwei Gruppen von kapitalistischen Staaten geführt – (arme und reiche im Hinblick auf Kolonien, Rohstoffe usw.) um die Neuaufteilung der Welt, um die Weltherrschaft! – Wir haben nichts dagegen, daß sie kräftig aufeinander einschlagen und sich schwächen. – Nicht schlecht, wenn Deutschland die Lage der reichsten kapitalistischen Länder (vor allem England) ins Wanken brächte. – Hitler selbst zerrüttet und untergräbt, ohne es zu verstehen und zu wollen, das kapitalistische System …“ (Georgi Dimitroff, „Tagebücher 1933–1943“, Berlin 2000, S. 273)
Willi Dickhut, der in seinen – 1941 bis 1945 während der illegalen Widerstandsarbeit angefertigten – Analysen zu exakt derselben Einschätzung kam, schrieb dazu, dass Hitler damit einen entscheidenden Fehler beging: So wie der deutsche Imperialismus im I. Weltkrieg irrtümlich Frankreich statt England als Hauptfeind betrachtete, so richtete er sich jetzt gegen England in Verkennung der Tatsache, dass die Sowjetunion sein Hauptfeind war. Das sollte sich bitter rächen, auch wenn Hitler durch den Bruch des Nichtangriffsvertrags und den Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 zunächst die Oberhand erlangte!