Fukushima-Betreiber Tepco gibt Kernschmelze faktisch zu
15.05.11 - In den bürgerlichen Medien kommt die Atomkatastrophe von Fukushima nur noch in den Randnotizen vor. Doch auch die lassen darauf schließen, dass sich dort weiterhin eine dramatische Entwicklung mit unabsehbaren Folgen abspielt. So musste die japanische Atomaufsichtsbehörde Nisa jetzt zugeben, dass ein großer Teil der Brennstäbe in Block 1 geschmolzen ist.
Zumindest teilweise geschmolzene Brennstäbe sollen auf den Boden des Reaktorbehälters gefallen sein und dessen Stahl durchgeschmolzen haben. "Es muss ein großes Loch geben", sagte ein Manager der Betreiberfirma Tepco. Möglicherweise ist das Material also bereits in das "Containment", die äußere Hülle des Reaktors, gelangt.
Ein Loch im Reaktorbehälter würde erklären, warum der Kühlwasserstand im Reaktorkern erheblich niedriger ist, als angenommen wurde. Der Wasserspiegel liegt fünf Meter unter dem Sollstand, das heißt die Brennstäbe ragen rund vier Meter in die Luft und werden auf dieser Länge nicht mehr gekühlt. Tepco pumpt pro Tag hunderte Tonnen Wasser in den Reaktorbehälter, die aber offenbar wieder auslaufen.
Auch wenn Tepco immer wieder beteuert, die Kühlversuche der Druckbehälter von außen seien erfolgreich, deuten all diese Indizien auf eine anhaltende Kernschmelze in mindestens einem Reaktor hin. Die Umweltorganisation "Greenpeace" schätzt die Lage in Fukushima ebenfalls deutlich ernster ein als offiziell berichtet wird. Die Situation könne schnell eskalieren, sollte der Kernbrennstoff den Reaktorkessel durchschmelzen.
Es muss auch die Frage aufgeworfen werden, ob der Tod eines über 60-jährigen Leiharbeiters (siehe "rf-news"-Meldung), der angeblich aus Erschöpfung starb, nicht mit dem verstärkten Austritt radioaktiver Strahlung zusammen hängt. Ein Bericht der Zeitung "Mainichi Shimbun" bestätigte, dass besonders Arbeiter von Subunternehmen in Fukushima immer wieder zur Arbeit gedrängt werden, obwohl sie dadurch höherer Radioaktivität und langfristigen Gesundheitsgefahren ausgesetzt sind.
Und diese neuen Hiobsbotschaften sind nur das, was sich trotz der weitgehenden Informationssperre von den Verantwortlichen nicht mehr leugnen lässt. Es ist zu befürchten, dass die Realität noch weitaus schlimmer aussieht. Am Aufbau einer weltweiten Widerstandsfront zur sofortigen Stilllegung aller Atomanlagen muss also dringend festgehalten werden. Dass Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) jetzt beteuerte, die Regierung wolle sich in der Ausstiegsfrage keine "Hintertür" offenhalten, zeigt wie sehr sie gegenüber den anhaltenden Protesten der Anti-AKW-Bewegung und ihrer Kritik an dem geplanten faulen Kompromiss (siehe "rf-news"-Bericht vom 11.5.) in der Defensive ist.
Allerdings ist der von der Ethik-Kommission des Bundestags vorgeschlagene Fahrplan für einen "schrittweisen Ausstieg" bis 2021 völlig unzureichend. Längst ist von Experten bewiesen und anhand der Faktenlage klar, dass eine sofortige Stilllegung der Atomkraftwerke ohne Problemen möglich wäre. Auch gegenwärtig sind elf von 17 Atomkraftwerken vom Netz, ohne dass es zu irgendwelchen Engpässen in der Stromversorgung kommt.
Es ist zu begrüßen, dass gerade von den Montagsprotesten der AKW-Gegner und den am 28. Mai geplanten Großdemonstrationen eine klare Richtung ausgeht, den von der Merkel-Regierung geplanten faulen Kompromiss abzulehnen und auf der sofortigen Stilllegung ohne Wenn und Aber zu bestehen (siehe "rf-news"-Bericht von gestern). Das unterscheidet sich wohltuend von der unglaubwürdigen Scheinkritik der Grünen und der SPD, die lediglich zu ihrem "Atomkompromiss" der Schröder/Fischer-Regierung zurück wollen, der ebenfalls 2020 bis 2022 als Enddatum vorsah. Die wöchentlichen Montagsproteste und am 28. Mai in 21 Städten geplanten Großdemonstrationen sind eine gute Gelegenheit, den Druck auf die Regierung und die Atomkonzerne für eine sofortige Stilllegung der AKWs zu verstärken.