Teil 6 von 8
140 Jahre Pariser Kommune - Die mutigen Frauen der Kommune
Die Pariser Kommune war die erste Diktatur des Proletariats der Welt. Ohne die Rolle der Frauen wären sowohl die bewaffnete Machtergreifung, die begonnene Organisierung der neuen Ordnung und der heroische Verteidigungskampf auf den Barrikaden undenkbar.
Der revolutionäre Enthusiasmus der Pariserinnen war der Reaktion unheimlich. Der bürgerliche Korrespondent der „Daily News“ schrieb im Mai 1871: „Wenn Frankreich nur aus Frauen bestünde, was wäre das für eine schreckliche Nation.“
Die Belagerung der Stadt im Winter 1870/71 durch die preußischen Truppen führte zu einem großen Notstand. Zahlreiche Kooperativen und Nachbarschaftsgruppen organisieren die Beschaffung von Essen und Brennstoff. „In der Not zählte buchstäblich jede Hand, so daß Spekulationen über die ,natürliche‘ Beschränkung von Frauen auf bestimmte Rollen hinfällig wurden; außerdem ließ die konkrete Betroffenheit familiärer Lebensbereiche durch die politischen Ereignisse – die unmittelbar spürbare Wechselwirkung zwischen Krieg, Politik und Alltagsleben – keinen Spielraum für
einen Rückzug von Frauen ins ,Private‘.“ (Antje Schupp, „Die Frauen der Commune“)
Die Anhänger Proudhons, einem Gegenspieler von Marx, waren gegen die Zulassung von Frauen. Frauen gehörten ihrer Meinung nach an den Herd und
nicht in die Werkstätten und Politik. Ihr Ideal war die bürgerliche Familie. Die Not der Masse lediger Frauen, die sich irgendwie durchschlagen mussten,
stand in krassem Gegensatz dazu. Das „bürgerliche Ideal“ in Form der Frauen der reichen Oberschicht flüchtete nach Versailles und hatte in den
Mauern von Paris keinen Platz. Lissagaray schrieb in seiner „Geschichte der Pariser Kommune von 1871“:
„Die Frau, die jetzt die Straße beherrschte, war die hingebende, tragische Pariserin, die zu sterben wie zu lieben weiß, … Die Gefährtin des Mannes bei der Arbeit wollte auch den Tod mit ihm teilen. Fürchterliche Gleichheit für die Bourgeoisie, denn der Proletarier hatte doppelte Kraft: ein Herz und vier Arme.“ (S. 177)
Frauen organisierten in Kooperativen Krankenversorgung, Volksküchen und Lebensmittelverteilung. Die Rolle der Frauen erschöpfte sich nicht in diesen traditionell geltenden Frauenaufgaben. Eine zweite Organisationsform an der Basis neben den Kooperativen waren „Widerstandskomitees“ an deren Spitze oft mutige Frauen standen.
Als Motor der politischen Bewusstseinsentwicklung erwiesen sich zwei hauptsächliche Frauenorganisationen. Das „Comité des Femmes“ und die „Union des Femmes“. Dem „Comité des Femmes" gehörten etwa 160 Gruppen und Initiativen an und es zählte rund 1.800 Mitglieder. Das Comité hatte ein weitverzweigtes Netz aufgebaut. Es übernahm praktische organisatorische Aufgaben und gab zugleich auch eher politisch interessierten Frauen eine Plattform. Es kam mit den wachsenden Aufgaben der Kommune zum heftigen Streit darüber, in welcher Gewichtung die Organisation der sozialen Fragen und die Lösung der politischen Machtfrage stehen sollten und was das angemessene Organisationsprinzip sei.
Die Russin Elisabeth Dmitrieff, eine Vertraute von Marx und Vertreterin der Internationale, gründete nach dem Vorbild des Organisationsprinzips der Internationale die Organisation die „Union des Femmes“.
Sie rückte die propagandistische Tätigkeit in den Vordergrund und soll Versammlungen von Frauen mit 3.000 bis 4.000 Teilnehmerinnen organisiert haben. Jedes Mitglied in der Union war Mitglied der Internationale. Für alle galt ein Mitgliedsbeitrag von 19 Centimes. In jedem Bezirk wurde ein Versammlungsraum eingerichtet. Doch alle Streitfragen wurden durch die sich überstürzenden Ereignisse unwichtig:
Anhängerinnen beider Frauenorganisationen fanden sich beim gemeinsamen Überlebenskampf auf den Barrikaden gegen den Ansturm der Reaktion
im Mai 1871 wieder. Der Mut der Frauen der Kommune ist legendär und selbst in der Niederlage der Kommune beeindruckend, wie der Augenzeuge
Lissagaray schilderte:
„Die Opfer starben schlicht, ohne große Worte. Viele kreuzten die Arme vor die Flinten und kommandierten Feuer. Frauen und Kinder folgten ihren Gatten
und Vätern und riefen den Soldaten zu: ,Erschießt uns auch!‘ Und man erschoß sie wirklich. Man sah Frauen, die sich bisher überhaupt nicht am Kampf beteiligt hatten, in die Straßen stürzen, die Offiziere ohrfeigen, sich an die Mauer lehnen und dort den Tod erwarten.“ (S. 319)
Eine der großen Frauengestalten der Kommune war die Lehrerin Louise Michel aus dem 17. Arrondissement. Lissagaray charakterisierte sie so: „Sanft
und geduldig zu den Kindern, deren Abgott sie war, wurde sie im Kampf für die Sache des Volkes zur Löwin.“ (S. 178)
Sie schleuderte dem „Gnadengericht“ die Worte entgegen: „Wenn Sie mich leben lassen, so werde ich nicht aufhören, nach Rache zu schreien, und werde die Mörder von der Gnadenkommission der Rache meiner Brüder überliefern … Wenn Sie keine Feiglinge sind, so töten Sie mich.“
Sie wagten es nicht die beliebteste Frau von ganz Frankreich hinzurichten. Die Pariser Kommune offenbarte erstmals in der Geschichte den Zusammenhang zwischen dem Kampf für den Sozialismus und für die Befreiung der Frau:
„… die Pariser Kommune hatte begonnen, Stück für Stück die alte Gesellschaft umzuwälzen und eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung zu gestalten. Das war möglich, weil das Proletariat die alte Macht gestürzt und eine neue Macht errichtet hatte. Darin liegt der wegweisende Fortschritt der Pariser Kommune, darin liegt auch ihr Signal für die Befreiung der Frau.“ (Stefan Engel/Monika-Gärtner Engel, „Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau
– eine Streitschrift“, S. 215)