Teil 2 von 8
140 Jahre Pariser Kommune - Die revolutionäre Situation reift heran
Die industrielle Entwicklung Frankreichs belegte anschaulich die prophetischen Worte im Kommunistischen Manifest, dass die Bourgeoisie mit der Ausdehnung der Industrie ihren eigenen Totengräber schafft, das Proletariat. In den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts entfalteten die Arbeiter der Zechen und Hüttenwerke in Massenstreiks ihre Kampfkraft. Die Angst vor revolutionären Aufständen beherrschte das Bürgertum.
„So ließ der damalige Präfekt von Paris, Baron Haussmann, riesige Bezirke der winkligen Altstadt, die in der Hauptsache von den ärmeren Schichten bewohnt wurden, kurzerhand niederreißen. Im Zentrum fielen mehr als 20.000 Häuser der Spitzhacke zum Opfer. Auf dem dadurch frei gewordenen Gelände entstanden die großen Boulevards. Sie wurden jedoch nicht aus verkehrstechnischen Gründen so großzügig angelegt, vielmehr dachte Haussmann beim Einebnen der unübersichtlichen Altstadt an freies Schußfeld für Geschütze, da man mit weiteren Volksaufständen rechnete. Außerdem wurden die neuen Pariser Straßen auf Napoleons ausdrücklichen Geheiß mit Schotter bedeckt, um so dem Volk das Aufheben von Pflastersteinen und den Bau von Barrikaden zu erschweren.“
(Zitiert nach Marlis Meergans, Eberhard Noll, „Die Pariser Kommune – Die 72 Tage der ariser Kommune“)
Dummheit und Intrigen der Herrschenden
Die französische Bourgeoisie war politisch schwach und gespalten. Ein Teil trat für die Republik ein, ein anderer hoffte, unter einer Monarchie besser Geschäfte zu machen. Gemeinsam war ihnen die Angst vor den Arbeitern. Das nutzte ein Neffe von Napoleon aus. Er putschte sich 1851 an die Macht und ernannte sich ein Jahr später zum Kaiser Napoleon III. In der Hoffnung, dass er an die napoleonischen Feldzüge anknüpfen könnte, bekam er 1870 die Vollmacht für einen Eroberungskrieg nach Osten in deutsche Gebiete. Das misslang kläglich. Die preußischen Truppen schlugen die französische Armee vernichtend, nahmen Napoleon III. gefangen und rückten bis Paris vor.
Aus Wut und Empörung über die Schmach stürmte die Pariser Bevölkerung am 4. September 1870 das Rathaus und rief die Republik aus. Die neue bürgerliche Regierung unter Thiers und Favre erklärte sich flugs zur „Regierung der nationalen Verteidigung“. Sie hoffte, damit die Arbeiter auf ihre Seite zu ziehen. Die bürgerliche Revolution spülte Adolphe Thiers an die Spitze, einen durch und durch intriganten Menschen. Marx kennzeichnete ihn als „konsequent nur in seiner Gier nach Reichtum und in seinem Haß gegen die Leute, die ihn hervorbringen.“
Der Kriegseintritt der deutschen Länder gegen Frankreich unter Führung Preußens hatte noch zu Beginn den Charakter einer Verteidigung und förderte die nationale Einheit des in viele Staaten zersplitterten Deutschland. Das änderte sich, als das im Januar 1871 in Versailles ausgerufene, neu geschaffene Deutsche Reich den Sieg in einen Raubzug umwandelte.
Es verlangte von Frankreich die Abtretung von Elsass-Lothringen und presste ihm horrende Summen ab.
Das Prunkstück Frankreichs, die Hauptstadt Paris, war nicht besetzt. Nach einem provokanten Durchmarsch im Stechschritt zogen sich die Preußen zurück. Trotz militärischer Überlegenheit war ihnen das Pariser Pflaster nicht geheuer. Sie überließen es lieber der nationalen Regierung unter Thiers, die Kapitulation von innen vorzubereiten und die Bevölkerung zu entwaffnen. Selbst begnügten sie sich, von außen durch Aushungerung der Stadt Schützenhilfe zu leisten.
Das Großbürgertum nutzte die Lage schamlos aus, um die Massen zu enteignen und sich zu bereichern. Kriegsanleihen wurden für ungültig erklärt. Sie erhöhten die Mieten und erließen eine neue Mietordnung, durch die über 300.000 Menschen über Nacht auf die Straße geworfen wurden.
Vor allem Kleingewerbetreibende und Kaufleute verloren ihre Geldreserven und gingen reihenweise bankrott.
Hoffnung der Unterdrückten in die Arbeiterschaft
Alle Schichten aus der Pariser Bevölkerung, Bürger, Handwerker, Kleinhändler usw. haben sich zum Teil aus unterschiedlichen Motiven der Pariser Kommune angeschlossen. Sie sahen vor allem in der Masse der rebellischen und streikerfahrenen Arbeiter die Kraft, die einen Gegenpol zu der reaktionären und gegenüber Preußen kapitulantenhaften bürgerlichen Nationalversammlung bildete.
Die Kommune hatte auch die Waffen in der Hand und zögerte nicht, sich mit aller revolutionären Entschlossenheit zu verteidigen. Die militärische Niederlage, der Verrat der Bourgeoisie und das sprunghaft wachsende Elend waren die Ausgangslage, dass die Massen nicht mehr in der alten Weise weiterleben wollten. Das war die Vorgeschichte der Geburtsstunde der ersten Arbeitermacht der Geschichte.