Frauenbewegung und Frauenbewusstsein

Frauenbewegung und Frauenbewusstsein

„Jede soziale Bewegung bringt eine bestimmte Form des gesellschaftlichen Bewusstseins hervor, von der sie sich wiederum leiten lässt“, heißt es in der Streitschrift „Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau“. Wir dokumentieren einen Auszug, der sich mit dem „Frauenbewusstsein“ befasst:

Auch der Frauenbewegung liegt ein besonderes Selbstbewusstsein von Frauen zu Grunde. Dieses Frauenbewusstsein stellt sich gegen die gesellschaftliche Ungleichheit von Männern und Frauen und weist jede Form der Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen zurück. Es tritt für die vollständige Emanzipation der Frau in der Gesellschaft ein. Darin liegt die gemeinsame Grundlage der kämpferischen Frauenbewegung in ihrer ganzen Bandbreite.
Im Unterschied zum proletarischen Klassenbewusstsein gibt es nicht nur graduelle Abstufungen im Frauenbewusstsein, sondern es tritt auch noch äußerst widersprüchlich hervor. Das hat seinen besonderen Grund darin, dass die kämpferische Frauenbewegung keine einheitliche Klassenbasis hat, sondern die proletarische, die kleinbürgerliche und Teile der bürgerlichen Frauenbewegung umfasst. Deshalb spiegeln sich dort neben dem gemeinsamen Anliegen, die gesellschaftliche Ungleichheit von Mann und Frau zu beseitigen, auch gesetzmäßig die unterschiedlichen Klasseninteressen wider. Das tritt als weltanschaulicher Kampf zwischen der proletarischen und der bürgerlichen Ideologie zu Tage. Es kommt unvermeidlich zu einem ständigen Ringen zwischen proletarischer und kleinbürgerlicher Denkweise unter der Masse der Frauen.
Die proletarische Denkweise tritt für eine breite, die Masse der Frauen umfassende kämpferische Frauenbewegung ein. Diese kämpft um wirtschaftliche und politische Reformen zur Verwirklichung der Gleichberechtigung im Rahmen der kapitalistischen Gesellschaft. Im Unterschied zur bürgerlichen und kleinbürgerlichen Denkweise weiß sie jedoch, dass dadurch wohl einige Verbesserungen erreichbar sind, die gesellschaftliche Grundlage für die gesellschaftliche Ungleichheit von Mann und Frau aber unangetastet bleibt. Deshalb kämpft sie für die Beseitigung der gesellschaftlichen Ursachen der besonderen Ausbeutung und Unterdrückung der Masse der Frauen. Das ist nur möglich durch die Vereinigung von proletarischem Klassenkampf und Kampf um die Befreiung der Frau.
Die bürgerliche und kleinbürgerliche Denkweise widerspiegelt die besondere Lage und Stellung der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Frauen in der kapitalistischen Gesellschaft. Sie begnügt sich letztlich mit der rechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau im Rahmen der bestehenden Gesellschaft. Sie kann deshalb immer nur die Interessen eines Teils der Frauen zum Ausdruck bringen. (…)
Der Entwicklungsgrad des Frauenbewusstseins hängt ab vom Wechselverhältnis zwischen der proletarischen und der bürgerlichen bzw. kleinbürgerlichen Denkweise in der Frauenbewegung. Je geringer ausgeprägt die proletarische Denkweise ist, desto größer ist der Einfluss der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Denkweise, desto niedriger ist der Grad des Frauenbewusstseins, sind Umfang und Schlagkraft der Frauenbewegung. Je entwickelter dagegen die proletarische Denkweise und ihr Einfluss in der Frauenbewegung ist, desto höher ist das Niveau des Frauenbewusstseins, sind Breite und Kampfkraft der Frauenbewegung. Durch die bewusste Organisierung einer lebendigen Wechselwirkung von Frauenbewegung und Arbeiterbewegung tragen die Marxisten-Leninisten dazu bei, dass das Frauenbewusstsein systematisch geweckt und höherentwickelt wird.    (S. 319–321)