„Ich wünsche mir, dass sich die Leute in Marokko ein Beispiel an den Kämpfen in Ägypten nehmen“

Einschätzung und Bericht eines marokkanischen Kollegen vom 21. Februar, der in Solingen lebt und ständig mit Freunden und Familie in Marokko in Kontakt steht:
„Die Menschen bei uns sind sehr arm, viele sind Analphabeten und die Aufstände sind deshalb noch nicht sehr zielgerichtet. Die Monarchie in Marokko spaltet und schwächt die Kämpfe, indem sie ihre politische Herrschaft mit der Religion verknüpft und so tut, als sei jeder gegen die Religion, der gegen diese politischen Verhältnisse kämpft. Die Religion wird wie ein Betäubungsmittel eingesetzt.
Es macht mich wütend zu sehen, welchen Reichtum diese Herrscher haben – und ausgerechnet sie sagen den Menschen, die verhungern: ,Denkt an die Religion, lehnt euch nicht auf …‘.
In Marokko wurde für letzten Sonntag landesweit zu einem ,Tag des Zorns‘ aufgerufen, aber im Endeffekt waren nur in wenigen Städten wie in Sefrov und Araich massenhaft Leute auf der Straße. Der Grund ist, dass die Geheimdienste schon im Vorfeld gegen die Organisatoren der Proteste vorgingen: Alleine in ,meiner‘ Stadt Fés wurden letzte Woche 1.000 Leute festgenommen, weil sie den ,Tag des Zorns‘ vorbereitet hatten.
Es sind vor allem viele Jugendliche aktiv. Die Entwicklung ist sehr wichtig, aber es macht mich auch traurig, dass wir sie noch nicht richtig nutzen können. Die Unterdrückerherrschaft hat die Menschen klein und ,dumm‘ gehalten.
Ich wünsche mir, dass sich die Leute in Marokko ein Beispiel an den Kämpfen in Ägypten und den anderen Ländern nehmen und dranbleiben und auch für Deutschland wünsche ich mir das. Denn im Prinzip ist die Situation hier nicht anders, es gibt immer mehr Arme und höhere Preise, wie beim Benzin und wir werden ausgebeutet.“